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laßt ihr die Pferde ruhen; zwischen acht und zehn Uhr seid ihr morgen in Öhringen.“

„Aber Vater“, fiel Gustav ein, „wäre es nicht ratsamer, gegen Heidelberg zu reiten? Ich wollte darauf wetten, wir sind gegen Öhringen hin nicht mehr sicher. Bedenken Sie, daß der Deutschorden dort tief herein sich erstreckt, daß sie in Mergentheim gewiß von dem Bischof in Würzburg unterrichtet sind, daß –“

„Daß“, fuhr der Vater fort, „ihr auf der Straße nach Heidelberg viel mehr auffallet, und daß ihr, wenn ihr etwa die Gegend nicht mehr rein fändet, eine letzte Zuflucht bei meinem alten Herrn und Gönner, dem Herzog in Neustadt, habt, der euch gewiß in den ersten Tagen nicht herausgibt. Ist dann Karl Alexander zufrieden mit dem, was wir hier gethan, so könnet ihr immer zurückkehren, wo nicht, so gehet ihr, wie schon gesagt, weiter nach Frankfurt.“

„Gott! daß ich euch in einer solchen Krisis zurücklassen soll!“ rief Gustav mit Thränen; „daß ich vielleicht an eurem Unglück schuld bin; daß alles schlecht gehen kann, wenn Süß meine Flucht erfährt und sich an Ihnen, Vater, rächt! Nein, ich kann, ich darf nicht gehen!“

„Nein, Vater“, fiel Hedwig ein, indem sie noch bleicher als zuvor herbeieilte und ihres Vaters Hand ergriff, „er darf uns nicht verlassen; o, ihr habt schreckliche Dinge vor, ich weiß es wohl, ihr wollt eine Verschwörung gegen die mächtigen Menschen machen. Lassen Sie ab davon, Vater, Süß und die andern werden Ihnen verzeihen; ach, mich tötet die Angst!“

„Geh’, Mädchen“, sprach Käthchen, die auch herangetreten war; „was Männer thun und was unser Vater thut, geht uns nicht an. Aber warum soll denn gerade jetzt Gustav so schnell hinweg? Er könnte uns allen so nützlich sein.“

„Weil ich keine Jüdin zur Tochter mag“, sagte der Alte streng, „darum soll er fort. Weil ich ein Briefchen seiner Scharmanten aufgefangen und mit Protest an den Juden geschickt habe, und weil dieser jetzt wütet und euren Bruder mit Gewalt zum Schwager haben oder auf Neuffen setzen will, darum soll und muß er ihm jetzt aus dem Wege gehen. Doch, ich wollte dir in [439] dieser Stunde nicht wehe thun, Gustav; wir scheiden als Freunde, und alles andere soll vergessen sein; wer weiß, wann und wo wir uns wiedersehen!“

Indem der Alte die letzten Worte sprach und seinem Sohn die Hand reichte, wurde schnell und heftig an der Thüre gepocht, und ehe noch jemand antwortete, trat plötzlich eine Gestalt, in einen Mantel gehüllt, ein. „Was soll dies?“ fuhr der alte Lanbek auf. „Wer drängt sich so bei Nacht in mein Haus, wer sind Sie?“

„Blankenberg!“ rief Hedwig, als jener den Mantel abwarf, und trat schnell und errötend einige Schritte vor.

„Verzeihung, Herr Konsulent“, sprach der junge Mann eilend, „die Not muß mich entschuldigen. Gustav, du mußt im Augenblick fort; der Lieutenant Pinassa schrieb mir soeben, daß er dich auf Befehl des General Römchingen heute nacht zwischen eilf und zwölf Uhr aufheben müsse. Der ehrliche Junge möchte dich nicht gern im Nest treffen.“

„Dank, Dank!“, erwiderte der Alte, indem er Blankenberg die Hand drückte. „Trinket aus, Kinder, und macht den Abschied schnell; hier, mein lieber Reelzingen“, fuhr er fort und drückte dem überraschten Kapitän einen großen Beutel in die Hand; „man kann nicht wissen, ob sich euer Weg nicht teilt. Sie sind so edelmütig, meinen Sohn zu begleiten.“

„Und mit Geld wollen Sie dies lohnen?“ unterbrach ihn der Kapitän unmutig. „Parole d’honneur, Herr! Ich begleite meinen Bruder, weil wir alte Amizisten sind, und nicht wegen Ihrer Spießen. Da soll mich doch –“

„Reelzingen“, sagte Käthchen mit ihrer süßen Stimme, „Ihr versteht doch gar keinen Scherz; es sind lauter Kupfermünzen, und ich habe dem Vater den Beutel gegeben, Euch in April zu schicken.“

„Ich verstehe“, flüsterte der Kapitän, indem er errötend dem schönen Mädchen die Hand küßte. „Ich will Euch dafür etwas Schönes von Frankfurt mitbringen.“

„Bringet mir“, antwortete sie, indem sie die Thränen nicht mehr zurückhalten konnte, „nur unsern Gustav wohlbehalten

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 438–439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_222.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)