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„Doch“, antwortete sie lächelnd, „und weil du so artig bist, will ich dich auch mit ins Geheimnis ziehen, vielleicht kannst du behülflich sein; er riet mir selbst, es dir zu entdecken.“

„Wie?“ entgegnete er bitter, „meinst du, ich sei nur deshalb nach Schwaben gekommen, um Herrn won Willis Liebesboten an meine Base zu machen? Da kennst du mich wahrhaftig schlecht; eher sage ich deinem Vater die ganze Geschichte, und ich glaube nicht, daß er sich einen solchen Tugendbünder, einen solchen Weltverbesserer und Demagogen zum Schwiegersohn wählen wird.“

Anna war verwundert stehen geblieben, als sie diesen heftigen Ausbruch seiner Leidenschaft vernahm. „Habe die Gnade und höre zuvor, um was man dich bitten wird“, sagte sie, und wie es schien, nicht ohne Empfindlichkeit; „so viel weiß ich aber, daß, wäre ich ein junger Herr, und überdies ein Berliner, ich mich gegen Damen ganz anders betragen würde.“ Bestürzt wollte Albert etwas zur Entschuldigung erwidern, aber mit freundlicherer Miene und gütigeren Blicken fuhr sie fort: „Du weißt und hast es heute selbst gehört, wie sehr der General seinen Napoleon liebt und verehrt; nun ist nächstens sein Geburtstag, der zufällig auf einen berühmten Schlachttag des Kaisers fällt, und da will ihn sein Sohn mit etwas Napoleonischem erfreuen. Er hat sich durch einen Bekannten in Berlin eine Kopie jenes berühmten Bildes von David[1] verschafft, das Buonaparte zu Pferd noch als Konsul vorstellt. Es ist kein übler Gedanke, denn so nimmt er sich am besten aus; er ist noch jung, mager, und das interessante, feurige Gesicht unter dem Hut mit der dreifarbigen Feder ist malerischer, eignet sich mehr für die Darstellung eines Helden, als wie er nachher abgebildet wird. Und dieses Bild des Kaisers ist unser Geheimnis.“

„Aber was soll ich hiebei thun?“ fragte Albert, der wieder freier atmete, da kein anderes, gefürchtetes Geständnis ihn bedrohte.

[511] „Höre weiter! Dieses Bild wird in diesen Tagen ankommen, und zwar nicht bei Generals, sondern bei uns. In meinem eigenen Zimmer wird es bis am Vorabend des Geburtstages bleiben, und dann müssen wir beide dafür sorgen, daß der General, während das Bild hinübergeschafft wird, nicht zu Hause oder wenigstens so beschäftigt sei, daß er nichts bemerkt. Während der Nacht wird dann das Bild im Salon aufgehängt und bekränzt, und wenn dann morgens der gute Willi zum Frühstück in den Salon tritt, ist es sein Held, der ihn an diesem feierlichen Tage zuerst begrüßt!“

„Gut ausgedacht“, erwiderte Rantow lächelnd, „und wenn es nur nicht dieser Held wäre, wollte ich noch so gerne meine Hülfe anbieten, doch – auch so werde ich mitspielen; hast ja du mich darum gebeten!“ Sein Ton war so zärtlich, als er dies sagte, daß ihn Anna überrascht ansah. Er bemerkte es und fuhr, indem er ihren Arm näher an seine Brust zog, fort: „Du kannst ja ganz über mich gebieten, Anna, ach! daß du immer über mich gebieten möchtest! Wie freut es mich, daß du nicht schon liebst, nicht schon versagt bist! Darf ich bei dem Onkel um dich werben?“

In Anna schien es zu kämpfen, ob sie bei diesen Worten wie über eine Thorheit lächeln oder erzürnt weinen solle, wenigstens wechselte auf sonderbare Weise die Farbe ihres schönen Gesichtes mit Röte und Blässe. Sie zog ihren Arm schnell aus seiner Hand und sagte: „So viel kann ich dir sagen, Vetter, daß uns hier in Schwaben nichts unerträglicher ist als Empfindsamkeit und Koketterie, und daß wir diejenigen für Thoren halten, die nach zwei Tagen schon Bündnisse für die Ewigkeit schließen wollen.“

„Anna!“ fiel ihr der junge Mann mit bittender Gebärde ins Wort, „glaubst du nicht an die Allgewalt der Liebe? Wenn auch ihre Dauer unsterblich ist, so ist doch ihr Anfang das Werk eines Augenblicks, und ich –“

„Kein Wort mehr, Albert“, rief sie unmutig, „wenn ich nicht alles dem Vater sagen und ihn um Schutz gegen deine Thorheit anrufen soll! Das wäre dir wohl bequem“, fuhr sie gefaßter und lächelnd fort, „um deine Langeweile in Thierberg zu vertreiben,


  1. Jacques Louis David (1748–1825), berühmter französischer Maler, republikanischer Schwärmer und Konventsmitglied der großen Revolution, später Hofmaler Napoleons und Begründer der klassischen Schule in Frankreich. Starb als Verbannter in Brüssel.
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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 510–511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_258.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)