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einen kleinen Roman zu spielen? Spiele ihn in Gottes Namen, wenn du nichts Besseres zu thun weißt, mich wirst du vielleicht trefflich damit unterhalten, nur verlange nicht, daß ich die zweite Rolle darin übernehme.“

„O Anna!“ sprach er seufzend, „verdiene ich diesen Spott? Ich meine es so redlich, so treu! Das Los, das ich dir bieten kann, ist nicht glänzend, aber es ist doch so, daß du vielleicht zufrieden, glücklich sein könntest.“

„Werde nur nicht tragisch“, erwiderte sie; „alles höre ich lieber, als solches Pathos. Spott verdienst du auf jeden Fall, und zum mindesten kann er dich heilen. Komm, sei vernünftig; begleite mich recht artig und wie es sich ziemt nach Hause. Aber sei überzeugt, wenn noch ein einziges Wort dieser Art über deine Lippen kömmt, so beschäme ich dich vor dem nächsten besten Bauer und rufe ihn heran, und wenn du im Schloß oben diese Thorheiten fortsetzest, so werde ich nie mehr mit dir allein sein.“ Der Ton, womit sie dies aussprach, klang zwar bestimmt, mutig und befehlend, doch schien ihr schalkhaftes Auge und ihr lächelnder Mund dem strengen Befehl zu widersprechen, und Rantow, den diese widersprechenden Zeichen verwirrten, begnügte sich, zu schweigen, zu seufzen, mit Blicken zu sprechen und einen erneuerten Kampf auf einen glücklicheren Moment zu verschieben. Mit großer Besonnenheit und Ruhe knüpfte sie ein Gespräch über den General an, und so gelangten sie weniger verstimmt, als man hätte denken sollen, nach Thierberg. Der Alte ließ sich ihre Ausflüge erzählen und schien nicht unzufrieden, daß Albert diese neue Bekanntschaft gemacht habe. „Es sind wackere Leute, diese Willis, und das ganze Thal hat ihnen Wohlthaten zu danken. Es soll wenige hohe Offiziere von der Bildung und den ausgezeichneten Kenntnissen des Generals geben, und den jungen habe ich selbst schon auf dem Korn gehabt und gefunden, daß er tiefe, gründliche Kenntnisse hat und mit Eifer Studien treibt, die man heutzutage unter der jüngern Generation selten findet. Ein kluges, gewandtes, feuriges Bürschchen; aber, aber – diese verschrobenen, überspannten Ansichten. Ich glaube, er würde mich in meinem eigenen Hause anfallen, wollte ich sagen, daß das Bauernpack immer Bauernpack [513] bleibe, und wenn man sie auch noch so frei von Lasten, noch so gelahrt machte, daß die Bürgerlichen bei ihrem Leist bleiben und nicht an der erhabenen Figur des Staates künsteln und pinseln und meißeln sollen. Aber das kommt nur daher, weil der alte Thor unter seinem Stand geheiratet hat; da will nun der Junge den Fehler gutmachen, indem er die Vettern und Basen und das ganze Verwandtschaftsgesindel seiner hochseligen Frau Mutter spießbürgerlichen Angedenkens recht hoch stellt!“

„Aber Vater!“ bemerkte Anna. „Daß er es aus diesem Grund thut, kannst du doch nicht behaupten. Ich gebe zu, er stellt uns alle insgesamt etwas tief und die andern an unsere Seite, aber er ist ein Enthusiast und hat von Freiheit und Volksleben Begriffe, die sich nie ausführen lassen.“

„Lehre mich die Menschen nicht kennen, Kind!“ sagte der Alte lächelnd. „Eitelkeit ist der Grundtext in jedem, die Variationen mögen heißen, wie sie wollen; aber was sagst du zu dem Vater, Neffe?“

„Bei uns würde man ihn steinigen, wollte er öffentlich aussprechen, was ich heute habe hören müssen. Ja, in einer Gesellschaft von Preußen sollte er einmal solch ein Wort sagen, ich glaube, man würde weder sein Alter noch seinen Stand berücksichtigen. Sein ganzes Gespräch ist ein Triumphgesang der Vergangenheit und ein Fluch der Gegenwart; ich glaube, er hält es für die größte Sünde, daß wir das schmähliche Joch abgeschüttelt und die übrigen vielleicht gegen ihren Willen mit befreit haben. Eine Schande, daß ein deutscher Mann etwas solches nur denken kann. Aber bei nächster Gelegenheit will ich ihm sagen, wie sehr ich vom Grund des Herzens seinen Kaiser und alle Franzosen hasse.“

„Das hat er von mir schon oft gehört“, erwiderte Herr von Thierberg, „mehr denn zwanzigmal, ich hasse sie alle, allesamt wie die Hölle!“

„Alle, Vater, alle?“ fragte Anna mit Bedeutung.

„Nein, du hast recht, Kind! Einen nehme ich aus, den ich täglich loben und preisen möchte. Hätte er nicht so verzweifelt gut französisch gesprochen, ich hätte geglaubt, es sei ein Engel vom Himmel. Leider war und blieb er nur ein Franzose.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 512–513. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_259.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)