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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

aus seiner Kleidung bemerken, daß er ein vornehmer Herr sein müsse.

Als sie so noch auf der Lauer standen, schlug ein Hund im Hause an; Munter, des Zirkelschmidts Hund, antwortete, und eine Magd erschien in der Türe und schaute nach den Fremden heraus.

Man versprach ihnen, Nachtessen und Betten geben zu können; sie traten ein und legten die schweren Bündel, Stock und Hut in die Ecken und setzten sich zu dem Herrn am Tische. Dieser richtete sich bei ihrem Gruße auf, und sie erblickten einen feinen jungen Mann, der ihnen freundlich für ihren Gruß dankte.

„Ihr seid spät auf der Bahn“, sagte er; „habt ihr euch nicht gefürchtet, in so dunkler Nacht durch den Spessart zu reisen? Ich für meinen Teil habe lieber mein Pferd in dieser Schenke eingestellt, als daß ich nur noch eine Stunde weiter geritten wäre.“

„Da habt Ihr allerdings recht gehabt, Herr!“ erwiderte der Zirkelschmidt. „Der Hufschlag eines schönen Pferdes ist Musik in den Ohren dieses Gesindels und lockt sie auf eine Stunde weit; aber wenn ein paar arme Bursche wie wir durch den Wald schleichen, Leute, welchen die Räuber eher selbst etwas schenken könnten, da heben sie keinen Fuß auf!“

„Das ist wohl wahr“, entgegnete der Fuhrmann, der, durch die Ankunft der Fremden erweckt, auch an den Tisch getreten war; „einem armen Mann können sie nicht viel anhaben seines Geldes willen, aber man hat Beispiele, daß sie arme Leute nur aus Mordlust niederstießen oder sie zwangen, unter die Bande zu treten und als Räuber zu dienen.“

„Nun, wenn es so aussieht mit diesen Leuten im Wald“, bemerkte der junge Goldschmidt, „so wird uns wahrhaftig auch dieses Haus wenig Schutz gewähren. Wir sind nur zu vier und mit dem Hausknecht fünf; wenn es ihnen einfällt, zu zehen uns zu überfallen, was können wir gegen sie? und überdies“, setzte er leise flüsternd hinzu, „wer steht uns dafür, daß diese Wirtsleute ehrlich sind?“

„Da hat es gute Wege“, erwiderte der Fuhrmann. „Ich kenne diese Wirtschaft seit mehr als zehen Jahren und habe nie etwas Unrechtes darin verspürt. Der Mann ist selten zu Hause, [119] man sagt, er treibe Weinhandel; die Frau aber ist eine stille Frau, die niemand Böses will; nein, dieser tut Ihr unrecht, Herr!“

„Und doch“, nahm der junge vornehme Herr das Wort, „doch möchte ich nicht so ganz verwerfen, was er gesagt. Erinnert euch an die Gerüchte von jenen Leuten, die in diesem Wald auf einmal spurlos verschwunden sind. Mehrere davon hatten vorhergesagt, sie werden in diesem Wirtshaus übernachten, und als man nach zwei oder drei Wochen nichts von ihnen vernahm, ihrem Weg nachforschte und auch hier im Wirtshaus nachfragte, da soll nun keiner gesehen worden sein; verdächtig ist es doch.“

„Weiß Gott!“ rief der Zirkelschmidt, „da handelten wir ja vernünftiger, wenn wir unter dem nächsten besten Baum unser Nachtlager nähmen, als hier in diesen vier Wänden, wo an kein Entspringen zu denken ist, wenn sie einmal die Türe besetzt haben; denn die Fenster sind vergittert.“

Sie waren alle durch diese Reden nachdenklich geworden. Es schien gar nicht unwahrscheinlich, daß die Schenke im Wald, sei es gezwungen oder freiwillig, im Einverständnis mit den Räubern war. Die Nacht schien ihnen daher gefährlich; denn wie manche Sage hatten sie gehört von Wanderern, die man im Schlaf überfallen und gemordet hatte; und sollte es auch nicht an ihr Leben gehen, so war doch ein Teil der Gäste in der Waldschenke von so beschränkten Mitteln, daß ihnen ein Raub an einem Teil ihrer Habe sehr empfindlich gewesen wäre. Sie schauten verdrüßlich und düster in ihre Gläser. Der junge Herr wünschte, auf seinem Roß durch ein sicheres, offenes Tal zu traben, der Zirkelschmidt wünschte sich zwölf seiner handfesten Kameraden, mit Knütteln bewaffnet, als Leibgarde, Felix, dem Goldarbeiter, trug Bange, mehr um den Schmuck seiner Wohltäterin als um sein Leben; der Fuhrmann aber, der einigemal den Rauch seiner Pfeife nachdenklich vor sich hingeblasen, sprach leise: „Ihr Herren! im Schlaf wenigstens sollen sie uns nicht überfallen. Ich für meinen Teil will, wenn nur noch einer mit mir hält, die ganze Nacht wach bleiben.“

„Das will ich auch“ – „ich auch“, riefen die drei übrigen; „schlafen könnte ich doch nicht“, setzte der junge Herr hinzu.

„Nun, so wollen wir etwas treiben, daß wir wach bleiben“,

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Leipzig., Wien,: Bibliographisches Institut, 1891-1909, Seite 118-119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_060.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)