Seite:De Wilhelm Hauff Bd 4 188.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Pfälle schon oben?“ fragte der eine dieser Herren den Kellner, der sie hinaufführte; dieser bejahte, und der Herr fuhr fort: „Und doch ist es eine sonderbare Fügung des Schicksals, daß er die Treppe herabstürzt und sich den Dolch in die Brust stoßt, daß er sich selbst verhindert, zu entfliehen, daß gerade Sie, Lange, zu ihm beschieden werden!“

„Gewiß“, sagte die verschleierte Dame, „finden Sie aber nicht auch ein eigentliches Verhängnis in diesen Schnupftüchern? Das eine mußte er bei mir liegen lassen, welcher Zufall! das andere muß er gerade in dem Augenblick verlangen, wo der Doktor noch bei ihm ist.“

„Es mußte so gehen“, erwiderte der zweite Herr, „man kann nichts sagen, als es mußte so kommen. Aber in diesem Strudel hätte ich beinahe etwas vergessen; sagen Sie, was ist es denn mit dem Pascha von Janina? Signora mußte sich offenbar getäuscht haben. Sie haben ihn wieder auf freien Fuß gesetzt? Wer war der arme Teufel?“

„Mit nichten und im Gegenteil“, sprach der erstere, „ich habe mich überzeugt, daß es ein Mitschuldiger des Chevalier ist, dem ich schon lange auf der Spur bin. Ich habe ihn schon hieher bringen lassen, er wird mit dem Mörder konfrontiert werden.“

„Nicht möglich!“ rief die Dame; „ein Mitschuldiger?“

„Ja! ja!“ sagte der Herr mit schlauem Lächeln, „ich weiß allerlei, wenn man mir es auch nicht angibt. Aber Gottlob, wir sind oben, hier ist ja gleich Nr. 53. Mademoiselle, haben Sie die Güte, einstweilen hier auf 54 einzutreten; der Kapellmeister hat es erlaubt und wird Sie nicht hinauswerfen; dafür wollte ich stehen. Wann das Verhör an Sie kommt, werde ich Sie rufen.“

Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß diese drei Personen die Sängerin, der Doktor und der Direktor waren; sie kamen, um den Chevalier de Planto eines Mordversuches anzuklagen. Der Direktor und der Medizinalrat traten ein; der Kranke saß noch ebenso im Bette, wie ihn der Doktor in der Nacht gesehen; nur schienen beim Tageslicht seine Züge noch krasser, der Ausdruck seiner Augen, die schon zu erstarren anfingen, noch schauerlicher. Er sah bald den Doktor, bald den Direktor mit seelenlosen [375] Blicken an, dann schien er nachzusinnen, was hier in seinem Zimmer vorgehe, denn der Referendarius Pfälle, ein kurzer, junger Mann mit roten Wangen und kleinen Äuglein, hatte sich einen Tisch zurecht gestellt, einen Stoß Papier vor sich hingelegt und hielt eine lange Schwanenfeder in der Rechten, um zu protokollieren.

„Bête, was wollen diese Herren?“ rief der Kranke mit schwacher Stimme dem kleinen Lakaien zu. „Du weißt ja, ich nehme keine Besuche an.“

Der Direktor trat dicht vor ihn hin, sah ihn fest an und sagte mit Nachdruck: „Chevalier de Planto!“

„Qui vive!“ schrie der Kranke und fuhr mit der Rechten an die Schlafmütze, als wolle er militärisch salutieren.

„Mein Herr, Sie sind der Chevalier de Planto?“ fuhr jener fort.

Die grauen Augen fingen an zu glänzen, er warf stechende Blicke auf den Direktor und den Referendar, schüttelte mit höhnischer Miene den Kopf und antwortete: „Der Chevalier ist längst tot.“

„So? wer sind denn Sie; antworten Sie, ich frage im Namen des Königs.“

Der Kranke lachte: „Ich nenne mich Lorier; bête, gib dem Herrn meine Pässe!“

„Ist nicht nötig; kennen Sie dies Tuch, mein Herr?“

„Was werde ich es nicht kennen, Sie haben es da von meinem Stuhl weggenommen; wozu diese Fragen, wozu diese Szenen? Sie genieren mich, mein Herr!“

„Belieben Sie auf Ihre linke Hand zu schauen“, sagte der Direktor; „dort halten Sie ja Ihr Tuch; dieses hier fand sich im Hause einer gewissen Giuseppa Bianetti.“

Der Kranke warf einen wütenden Blick auf die Männer; er ballte seine Faust und knirschte mit den Zähnen; er schwieg hartnäckig, obgleich der Direktor seine Fragen wiederholte. Dieser gab jetzt dem Doktor einen Wink, er ging hinaus und erschien bald darauf mit der Sängerin, dem Kapellmeister Boloni und dem …schen Gesandten in dem Zimmer.

„Herr Baron von Martenow“, wandte sich der Direktor zu

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig., Wien, 1891–1909, Seite 374–375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_188.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)