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genannte Epigramm den Griechen schöner als uns, weil ihnen der Mittelbegrif „Amor als Biene“ geläufiger war und ihnen also auch die Entwicklung natürlicher als uns scheinen mußte. So die weinende Rose. b)[1] Der Sänger jauchzet in seinem Freudenkranze; siehe da weint unter den Blumen desselben die Blume der Liebe: der Affect wendet sich und der Ausgang des Epigramms überrascht uns lieblich. Bei den meisten Epigrammen von der schönsten Wendung wird man dies Zwiefache im Object nicht verkennen, entweder daß zwei wirklich getrennte Gegenstände im Gesichtspunct des Dichters verbunden werden oder in dem Einen Gegenstande etwa eine neue Eigenschaft, also ein Doppeltes erscheint, das dem Ganzen eine unerwartete Wendung verschaffet. Von jener Art sind z. B. die Schwalbe, die auf dem Bilde der Medea nistet; die Nachtigal, die eine Cicada ins Nest trägt; c)[2]


  1. b) Th. 1. S. 63.
  2. c) Th. 1. S. 6. Th. 2. S. 5.
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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_134.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)