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sich wälzet; dies ist nicht nur Herodots Bemerkung, sondern die Lehre aller Zeiten und Völker. Denn wie wenige, auch große und berühmte Menschen giebts in der Geschichte, die Maas zu halten wußten und also auch bis ans Ende ihres Lebens glücklich waren! Die meisten verkannten jene Stralenfeine Linie, über welche die Nemesis nicht hinausläßt, und so war das Alter die Widerlegung ihrer Jugend, die Jugend ein sehr übles Gerüst zum kommenden Alter. Soll also die Geschichte der Menschheit je lehrend werden: so weihe sie der Geschichtschreiber keinem andern als der Nemesis und dem Schicksal! Diesem in allen Dingen, die über der Macht der Menschen liegen und dennoch nach ewigen, uns sehr wohl erkennbaren Gesetzen regiert werden; jener in allen menschlichen Dingen, in denen sich nur die wachsame, bescheidene Klugheit schützet, Unverstand und Uebermuth aber jederzeit sich selbst verderbet.

Auch deßwegen liebe ich dich, du guter alter Homer! daß du bei deinen, dem Anscheine

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_268.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)