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sondern vom Schlaf und seinem Bruder. Nur hüte man sich, daß man keine der beiden Figuren über ihre Grenzen rücke: denn sollen Schlaf und Tod handelnde Personen werden: so müssen sie etwas mehr und anders als die umgekehrte Fackel tragen.

Erlauben Sie mir, m. Fr., daß ich zum Schluß des Briefes mich noch über die Allegorie freue, die der Schöpfer in unsre Natur, mithin in das Gefühl auch der Gedankenlosesten Menschen durch diesen Wechsel von Licht und Dunkel, von Schlaf und Wachen gelegt hat. Mich dünkt, er habe uns dadurch täglich an den Umkreis unsres Schicksals erinnern wollen und sende uns zu dieser Erinnerung den Schlaf, des Todes Bruder. Sanft rauschen seine dunkeln Flügel herbei und umschatten uns mit der nächtlichen Wolke. Der holde Genius senkt seine Fackel täglich nieder und erquickt uns, wenn der Tag unsre Augen blendete, mit einigen Tropfen der Vergessenheit aus seinem ambrosischen Horne. Müde vom Glanz der jungen Sonne sehn wir

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_324.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)