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wenn jemand sich vor dem Hunde, der Finsterniß und einer Knochengestalt fürchte: (denn wovor fürchten sich Kinder mehr als hievor?) und so dürfen wir auch nicht verlegen seyn, wie er zu dieser Gestalt komme? Es muß ein Bild seyn, welches die Kinder sahen, wodurch ihnen die ersten Begriffe vom Tod beigebracht wurden und dies kennen wir genug in dem Gebrauch der Alten, nach welchem sie ein Todtengerippe oder ein Todtenhaupt, natürlich oder künstlich, selbst bei der Tafel aufsetzen. Dies gab den Kindern die ersten und nicht die schönsten Begriffe vom Tode: dies war der larvalis habitus nudis ossibus cohaerentium und vor solchem, d. i. vor dem Gedanken, daß der Mensch nach dem Tode eine Gestalt wie diese werde, glaubt Seneka, das Licilius sich nicht fürchte. Gerade also diese Stelle führt uns auf die gewisse Bedeutung dessen, was die Alten mit dem Seklet bei Gastmählern, oder in der Kunst wollten.

Heu heu nos miseros, quam totus homuncio nil est!

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_352.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)