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Von den Schweizern nutzte er ihre Belesenheit und ihr gründlicheres Urtheil; er übertraf sie bald in Beydem. Am meisten aber übertraf er sie und alle seine Vorgänger in der Geschlankigkeit des Ausdrucks, in den immer neuen und glänzenden Wendungen seiner Einkleidung und Sprache, endlich in dem philosophischen Scharfsinn, den er mit jedem Eigensinn seines muntern, dialogischen Styls zu verbinden und die durchdachtesten Sachen mit Neckerey und Leichtigkeit gleichsam nur hinzuwerfen wußte. So lange Deutsch geschrieben ist, hat, dünkt mich, niemand wie Leßing, Deutsch geschrieben; und komme man und sage, wo seine Wendungen, sein Eigensinn nicht Eigensinn der Sprache selbst wären? Seit Luther, hat niemand die Sprache, von dieser Seite so wohl gebraucht, so wohl verstanden. In beyden Schriftstellern hat sie nichts von der plumpen Art, von dem steifen Gange, den man ihr zum National-Eigenthum machen will; und doch, wer schreibt ursprünglich Deutscher als Luther oder Leßing? Und überhaupt,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_380.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)