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der Zeiten, in welchem oft das Schlechteste neben dem Besten gepriesen wird, das wahre Verdienst sich zu verlieren scheinet. Die Tafel der Muse ist beschrieben, fast mehr beschrieben, als das Gedächtniß der Menschen davon fassen kann; was am Rande hinzugethan wird, können nur kleine Buchstaben seyn, oft schwer zu lesen und von zweifelhafter Bedeutung. Der Mund der Fama hat seinen Credit verlohren; das Lob der Kunst, Dichtkunst, ja selbst der Geschichte hie und da nicht minder. Die Sprachen der Völker sind zertheilt, und wer kann sich eine Stimme geben, die von den Säulen Herkules bis zum Indus reiche? Das Feld der Geschichte, auch der Verdienste und Känntnisse selbst, ist zu groß geworden; dagegen die Aufmerksamkeit der Menschen in ihrem Innern geschwächt, die Theilnahme derselben an einem einzelnen Gegenstande, Geschäft oder Lande, dergestalt verwittert, daß es dem fremden Leser schon Mühe kostet, seinen engen Horizont nur zu erweitern, sich in eine fremde Noth, in ein fremdes Verdienst, in einen

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_172.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)