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böses Schicksal von ihr zu entfernen. Sein Wunsch wird ihm durch die feierliche Verkündigung gewährt, daß aus ihrem Schoos ein Götterkind, ein Beherrscher Indiens entspringen werde; und nun ist er über jedes zwischenliegende Hinderniß, wie ein höherer Geist, hinwegsehend-ruhig. Dem Ausspruch der Götter gemäß giebt er an Sakontala und ihren Begleiter Befehle; und läßt das Verhängniß walten. Der Grieche foderte eine in jedem Theil natürliche Entwicklung der Begebenheiten; der Indier legte es von Anfange bis zu Ende auf einen heiligen, göttlichen, wunderbaren Zusammenhang derselben an, weßhalb man, wenn man sein Werk nicht Drama in griechischem Verstande nennen will, man es ein dramatisirtes Epos, nennen müßte, eine heilige Götter- und Königsfabel in allen Reiz der Vorstellung gekleidet.

Auf welcher Seite die schärfere Vernunft sei, darüber ist wohl kein Zweifel; eben der schärfere

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_312.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)