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gleich nur ein dramatisches Epos ist, in allen wesentlichen Theilen aufs nächste und feinste an die griechische Kunst grenzet. Um zwei Personen, Sakontala und Duschmanta, windet und schlinget sich alles; die höchste Mannichfaltigkeit ruhet auf der simpelsten Einheit.

Noch hätte ich von den Charakteren und Farben des Stücks Einiges zu sagen. Jene sind, nach Indischer Art, nicht scharf aber auch nicht unbedeutend, und jeder in seinem Grad idealisch gezeichnet. Sakontala ist alles, was eine Indische Blume des Reizes, der Zucht und Tugend seyn kann; sie verdient ihren hohen Rang durch ihre lange Prüfung, ihr spätes Glück durch ein lange ertragenes Unglück. Duschmanta ist die Summe aller Indischen Weltbeherrscher in gepriesenen Tugenden und den von ihrer Würde unabtrennlichen Fehlern. Kanna ist das Ideal eines Heiligen und Weisen, in unmittelbarem Zusammenhange mit der Gottheit. Die Göttinn

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_327.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)