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Chur betreffenb, in förmliche Proposition gestellet, so ist nach der Sachen Wichtigkeit und allen dabey eingeloffenen und erwogenen Umständen, auch deroselben reiffer Überlegung dafür gehalten und geschlossen worden: Nachdem das von vielen Seculis her berühmte Hauß Braunschweig-Lüneburg Hannoverischer Linie um Kayserl. Majestät und das Heil. Römische Reich sich hoch meritirt gemacht und dem Publico sehr ersprießliche Dienste geleistet, daß in sonderbahrem Betracht sowohl der in vor höchst-gedachtem Kayserlichen Commißions-Decret enthaltenen, als anderer trifftigen Ursachen und wichtigen Considerationen mehr, in die von Ihro in Gott ruhender Kayserl. Majestät Leopoldo glorwürdigsten Andenckens demselben, und zwar der männlichen Linie in der Ordnung der Erstgeburt zugelegte und verliehene Chur-Würde zu willigen und solchem diese dergestalt zu gönnen, daß vor allen auch fest gestellt seyn und bleiben solle, daß gegen diese Introduction der Braunschweigischen Chur in obbemeldter Linie in der Ordnung der Erstgeburth auf den Fall, wann aus dem Hause Pfaltz sowohl Rudolphinisch- als Wilhelminischer Linien kein Catholischer Nachfolger an der Pfältzischen Chur mehr übrig, sondern selbige an einen Augspurgischen Confessions-Verwandten gefallen seyn solte, salvo de caetero in Electoralibus et Domo Palatino Iure succedendi, und an hoch-gedachtem Hauß diese beyde Fälle sich nach der Verhängniß Gottes würcklich zugetragen hätten, und die jetzt gedachte Hannoverische Chur-Linie noch stünde, alsdann denen Catholischen ein Votum supernumerarium verstattet und von Reichs wegen hiemit würcklich in der allerbesten und kräfftigsten Form Rechtens zugelegt seyn und bleiben, welches durch den vorsitzenden Catholischen Churfürsten, praevia tamen Legitimatione solita, ohne einige Widerrebe oder Hinderniß, wie die erdacht werden könte oder möchte, bey allen Reichs-, Wahl-, Collegial-, Deputations- und andern Tagen oder Zusammenkünfften nach ihren, der übrigen Catholischen Mit-Churfürsten, per maiora machenden Schluß, oder wie sie sich sonsten unter einander dißfalls vergleichen möchten, geführt werden solle, wobey man sich jedoch allerseits ausbedungen und hiemit vorbehalten, wegen der beyderseits verlangten Sub- und Gegen-Substitution sich hiernächst ferner zu bereden, darüber das nöthige zu berathschlagen, und, wo möglich, darinnen einen allerseitigen vergnüglichen Schluß, ob und wie der Sachen zu thun, zu fassen, welchen Falls, und da es derentwegen über kurtz oder lang zu einer verhoffenben Entschliessung kommen, oder da auch obgedachte Hannoverische männliche Chur-Linie vor Erlöschung beyder Pfältzisch-Rudolphinisch- und Wilhelminischer Linien gäntzlich absterben würde, oder auch sich zutrüge, daß entweder die Pfältzische Chur auf einen Catholischen künfftighin wiederum käme, oder die Braunschweigische Chur-Linie nach der Hand obverstandener Massen wieder abgienge, welches alles der Allerhöchste in Gnaben abwenden wolle, alsdann das denen Catholischen auf obgemeldten Fall dermahln zugelegte und fest gestellte Votum supernumerarium von selbsten cessiren und aufhören solle. Es hätte aber auch Chur-Braunschweig wegen aller Dero jetzt einhabenden Braunschweigischen Landen und deren Zugehörungen den Chur-Fürsten-Anschlag pro Quanto matriculari in allen Reichs- und Creyß-, auch andern Praestationibus et Oneribus publicis und sonsten, zum Cammer-Gericht aber 300 Cammer-Gülden zu Cammer-Zielern jährlich zu übernehmen[1].

Nachdem auch Ihro jetzt glorwürdigst regierende Kayserliche Majestät allergnädigst geäussert, daß Sie den Ihro als König und Churfürsten in Böhmen gebührenden Sitz und Stimme im Churfürstlichen Collegio zu desselben und des Heil. Römischen Reichs mehrern Splendor und Besten hey allen ordinari und extraordinari Zusammenkünfften, es seye auf Reichs-, Deputations-, Collegial- oder andern Tagen, hinführo wiederum einnehmen, bekleiden und verführen zu lassen, allergnädigst gesinnet seye, so ist ferner beschlossen worden, daß Ihrer Kayserlichen Majestät zu allergnädigstem Belieben und (wie hiemit beschiehet) frey zu stellen seye, ob und wann Sie vermöge Dero habenden undisputirlichen Rechts und Befugnisses Ihren Böhmischen Sitz und Stimm durch eigene, genugsam bevollmächtigte Gesandschafft bekleiden und in allen Deliberationibus, in Churfürstlichen Collegial- und andern Tagen verführen, hingegen aber auch zu allen Reichs- und Creyß-Oneribus et Praestationibus publicis, auch andern Anlagen


  1. Hierüber stellte der Kur-Braunschweigische Gesandte am 4. Sept. 1708 einen Revers aus; s. NS. d RA. IV, Nr. 107, S. 231.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit.Tübingen: Verlag von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1913, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zeumer_V2_471.jpg&oldid=- (Version vom 17.2.2019)