Seite:De Zimmerische Chronik 1 303.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ob disch fürkame, erschrack sie und hieß doch den bilger einlassen und im güetlichen thuen, mit erpieten, ine ain jar lang von ires lieben herren selligen, des Möringers, willen zu speisen. Der Möringer der war unnutz vol[1], gieng in die

5

hofstuben, da ine niemands erkante. Da setzt er sich nider und sache sein weib und kinder, auch sein vettern von Neifen in großem bracht ob disch sitzen. Er sahe auch allen frewden und kurzweiln zu, die den ganzen tag in der purg getriben wurden. Uf die nacht, als die hochzeitere zu bet

10

wolt gon, kam der [1316] hofmaister und sprach dem Möringer zu, den er doch nit kant: »Wolan, bilger, es ist der sit, das ain ieder frembder ain hoflied singen soll.« Des underwandt sich der Möringer und mit schwerem herzen sang er under anderm dise wort:

15
»In angst und not ain schöne fraw
Hat mich gepracht der welt zur schaw,
Ir trew an mir vergessen ward,
Das sie mein nit gewartet hat.
Hie fernd ain herr, iz bin ain knecht,
20
Mir wurt ain alte schüssel recht.«[2]

Der frawen fieng ab disem singen an zu grausen, sie bedaucht, sie sollt die stim erkennen, und da nit vorhin ir pottschaft zukommen, das ir herr in frembden landen umbkommen, so het sie in darfür geschetzt. Sie kont die augen

25

nit ab dem bilger lassen. Iedoch in solchem discurs hieß sie im in ainem vergülten becher zu trinken bringen. Das beschach. Da bedauchte den Möringer, es were zeit, das er sich zu erkennen geb, dann es eben an dem, das man die frawen zu bet wolt füeren, und möcht im leichtlich sein

30

gesell von Neifen, do er lenger verzogen, in die schanz sein gefallen. Darumb, als er gedrunken, do zoch er angesichts iren aller sein mehelring herfür, den warf er in den becher und bot den dem hofmaister wider, bittend, das er der frawen den becher mit dem ring zustellen wellt.

35

Wie nun dieselbig den ring im becher ersicht, do wardt sie von grundt ires herzen erschrocken, bedacht gleich die obgeschriben wort, die er gesungen, und erkant gleich iren alten herren. Darumb mit großem wainen und geschrai wüscht sie uf hünderm disch, fiel irem alten Möringer zu

40

füeßen, umb verzeihung und gnad biten, und dieweil sie die


  1. unnutz vol] vielleicht unmäß vro.
  2. vgl. Uhland, Volkslieder, nr. 298, s. 781, 31.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band I. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1881, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_1_303.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)