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gleichwol guete wart gehabt, auch mit der arznei allerlai mit ir versucht, iedoch ist sie (anders ir huswirt, der von Hausen, und alles gesünd vermaint oder gewist) des legers gestorben. Es sein alle todtzaichen bei ir gewesen, dann

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alle empfindtlichkait, auch naturliche werme von ir entwichen. Wie nun der zeit, und auch lange jhar hernach die weihelege oder kirchhof zu S. Martin bei und umb die kirchen gewesen, het man domals etliche große gruoben uf den kirchhof gemacht, darin man die abgestorbnen[1] haufecht

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begrueb, wie dann auch heutigs dags noch in andern stetten mehr beschicht, so dise krankhait also überhandt nimpt. In deren grueben aine ward die von Hausen sampt sonst noch dreien abgestorbnen personnen gelegt. Ir hauswürt, der von Hausen, het ir in disem zugestandnen laidigen fal

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ungeferlich zwen der bösten röck lassen anthon, auch iren mehelring an den finger stecken; damit ward sie zu grab getragen. Wie sie nun mit andern todten in die grueben, wie obgemelt, gelegt, nam ainer under den todtengrebern des rings, auch der gueten kleider war, betauret ime, das

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sollichs also verloren und im boden[2] verderben und bleiben sollte; derhalben verschuff er, das die gruben selbige nacht mit britter gedeckt wurden, ob villeucht den nachgenden morgen mehr abgestorbner darzu kemen. Aber in der nacht schleicht er, als niemands uf dem weg, uf den kirchhof,

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der mainung, die gueten röck sampt dem guldin ring der frawen abzeziehen und mit sich heim zu nemen. Wie er nun die britter ab der gruben hinweg nimpt, steigt er hinein, findt die edelfraw under andern abgestorbnen, der zeucht er den obern rock ab; wie er aber ir den guldin

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ring auch ab dem finger nemen will und doch zweifelt, ob es die recht seie, auch derhalben mit sich selbs redt, so befindt sich, das die guet fraw, sonder zweifel ußer der gnad und barmherzigkait des allmechtigen, wider zu ir selbs komen, wie dann in gleichem fall an andern orten mehr

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beschehen. Die wurt ab dem abziehen und bewegung wider ermundert, kompt ir die gedechtnus, sprücht mit verstendtlicher stim zu dem todtengreber: »Guet fründt, bindt mich gar uf!« Ab diser red und ungewonlichen sach erschrickt der todtengreder, in maßen daß er der frawen den rock,

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den er ir ußgezogen gehabt, auch die gruben also unver-


  1. abgestorbnen] hs. abgestorben.
  2. boden] hs. bad.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band I. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1881, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_1_324.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)