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fragt, warumb der jung herr Wilhelm wer genennt worden, dann sie weren nit all from, die Wilhelm hießen.

Ich kan hiebei nit underlasen zu vermelden, wie vor jaren der geprauch gewesen, sich uf sant Andreas abent[1]

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in des selbigen hailigen namen ohne gessen und ohne geredt mit etlichen sonderlichen reimen und worten schlaffen zu legen; als dann ist im schlaff dem oder der, diß oder jenes, so im hat sollen verheirat werden, eigentlichen erschinen. Es hats diser jung grave ain jar vor der

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heiratsabredt auch probiert und ist im das frölin von Eberstain, das im hernach verheirat, wiewol er das vorhin nie gesehen, im schlaff fürkommen. Ich hab wol von den alten gehört, das herzog Friderrichs von Sachsen dochter in ir jugendt auch in sant Endresen namen nidergangen; do sei ir der

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alt churfürst von Brandenburg, marggraf Albrecht, aigentlich erscheinen. Demselbigen hat domals sein gemahl, die marggrefin von Baden, noch gelept, ist aber selbigs jars gestorben und ist die jung herzogin bemeltem alten marggrafen noch vor außgang des jars versprochen worden. Bei unsern

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vätter gedenken hat sich in sollichem fahl ain abenteurliche handlung zum Hag begeben. Bei lebzeiten grave Lenharts vom Hag do hat sein gemahl, die landtgrefin von Leuchtenberg, zwo edle junkfrawen gehapt, die ein ist ein Bronnere gewesen, die ander ain Schönbronere, baide user dem

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Bayerlandt. Wie dann nun das jung volk ganz fürwitzig ist, also hetten diese zwo junkfrawen gern gewist, wem sie doch mit der zeit sollten verheirat werden. Also ist ein schreiber zum Hag gewesen, der hat sie etliche reimen und wort lernen [877] sprechen und wie sie uf s. Andres abent

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nidergeen und sich weiter halten sollen; iedoch haben sie nach den gesprochnen worten bei verlierung ires lebens nit reden dörfen. Das haben sie auch dem schreiber versprechen müeßen, darauf der schreiber, nach dem und die landtgrefin, ir fraw, zu bet gangen und geschlaffen, bei inen im gemach

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stillschweigendt gesessen. Der hat die wort auch gesprochen gehapt. Ie lenger aber sie gewartet, ie engster denen jungkfrawen worden, hat inen anfahen grausen. Als es schier ist mitternacht worden, aldo dann irer breugolt ge-


  1. Andreas abent] über dieses sogenannte Andreslen s. u. a. Grimm, Deutsche Sagen, 2te aufl., II, 149; Birlinger, Volksthümliches etc. I, 341, 577 u. II, 444, 412.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band III. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1881, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_3_433.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)