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der lieb Gott. Vor vil jaren ist uf ein nacht ein unerkanter man geen Gerspach ans thor kommen, der hat einer hebamen[1] eilends begert. Also hat man ime ein hebamma, ein guete alte fraw, verfolgen lasen. Die hat er uf ein stund

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zwo ungefärlich in der finstere umbher gefüert, das sie nit gewist, wohin sie kommen. Letstlich hat er sie weit in ein holen felsen und in ein berg hinein gefüert. Da hat sie vil liechter, auch sonst [1075] vil kleiner leut gefunden, under denen ain schwangere fraw, die geperen sollen. Und hat

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niemands mit ir geredt; sie hat bei der schwangeren frawen ir ampt volbracht. Im abschaiden hat man ir ain reinischen pfening[2] zu lohn geben. Dessen hat sie sich beschwert, mit bericht, ir gesetzter lon sei drei batzen oder sovil schilling; sie sei ain arme fraw, die des iren selbs wol bedürfe. Sie

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haben ir nit mehr geben wellen, sonder gesagt, sie solle sich des pfenings benügen lasen, welcher die tugendt hab, so lang sie in behalten, werde ir gelts nimmermer zerrinnen, sonder werd alle mal, so sie gelts bedürfe, ein pfening weiter im seckel befünden. Also ist die guet fraw mit diser

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vertröstung userm berg geschaiden. Der unerkant man hat sie vor tags biß geen Gernspach wider belaitet, das sie nit gewist, woher sie[3] kommen oder an welchen ort sie gewesen. Hernach hat sie befonden, das dieselbig hebamma ir lebenlang gelts zue irem gebrauch genug gehapt. Wer guet, das

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wir derselbigen münz in unser landtsart auch hetten. Und bei sollichen abenteurlichen und ungewonlichen sachen ist der gewalt und die allmechtigkait Gottes reuchlichen zu speuren. Es sein sonst ander vil seltzamer hendel umb Eberstain fürgangen, darumb es auch noch heutigs tags an etlichen

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orten bei der nacht, sonderlich aber bei dem Wachtelbronnen nit gehewr, also das die grafen selbs inen entsitzen, bei nacht daselbs fürzureiten oder zu wandlen, und waist doch niemands warumb; auch die grafen selbs kündens nit sagen, wie dann bewist, das ain ort mehr, weder das ander, von

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den gespenstern wurt infestiert. Iedoch hat bei tags die herrschaft vil kurzweil daselbs, das man sommers manichmal zu abendt alda pfligt zu esen. Graf Wilhalm von Eberstain hat eins morgens, als es noch dunkel gewesen, ein greusenlichen fahl daselbs mit eim pferdt gethon, uf etlich


  1. hebamen] zu den unterirdischen geholt, s. A. Kuhn, westfälische Sagen I, 285, zu no. 331.
  2. ain reinischen pfening] vgl. Liebrecht, zur Volkskunde s. 89, 4.
  3. sie] = sich. WS: auf Grund der Angabe nur der Zeilennummer ohne weiteren Hinweis ist leider nicht ganz klar welches sie gemeint ist, dieses oder das nächste.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band IV. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1882, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_4_118.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)