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er fürkame. Selbigs tags kam auch umb mittagzeit ein grose anzall rappen; die saßen uf allen thürnen und mauren im schloß, hetten ein wildt geschrai und beisen. Das weret gar nahe den ganzen tag bis gegen abendt, insonderhait

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aber uf dem thurn, darin sein, graff Gottfridt Wernhers, gemach war, wiewol er dess auch nit achtet oder villeucht nit höret. Er hat lang vor seinem absterben das sprüchwort, das er mermals sagte, er besorgte, seitmals die welt so geschwindt und spitzfindig, auch alle künsten uf das

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höchest deglichs kommen und ufstigen, es würde auch die kunst für den todt, das man nit sterben müest oder doch das man dester lenger lepte, noch erfunden werden, aber erst nach seinem absterben, das er deren nit auch geniesen megte. Und wiewol er vil jar vor seinem abgang den todt

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so heftig gefürcht und ein sollichs abschewen ab im het, das er von kainem sterben mechte hören sagen, vil weniger derselbigen gemelde umb sich haben, iedoch zu denen letsten zeiten het sich das alles umb in verkert. Ine hetten die vom rath zu Mösskirch, auch andere in seiner krankhait

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gern besucht, aber sein mainung war, sich niemands mer anzunemmen, sonder allain des tods und erledigung zu erwarten. Mermals pflag er den spruch Pauli zu sagen: »Cupio, domine, dissolvi et esse cum Christo[1].« Andere mer tröstliche sprüch Pauli und der propheten ließ er im vil lesen,

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und under anderm, so er von seinem vettern begert, war, das nach seinem absterben die pfarr zu Mösskirch mit einem gelerten und taugenlichen pfarrer versehen, auch das gestift zu S. Martin sampt dem gotzdienst unverendert erhalten würde. Biß daher hat er, graf Göttfridt, sich nit

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legen wellen, sonder mertails in einem sessel sich enthalten. Aber er fieng von tag an etwas schwecher zu werden, das er sich zu letst legen muest. Darnach lept er nit lenger, dann biß an dritten tag. In mitler zeit, welches doch zu verwundern, nam er dermasen am ganzen leib ab,

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dergleichen im angesicht, das er gar nahe unkantbar; dann als er vorhin ein gerade, starke person und von grosen glidern, die in zwaien tagen waren abgenommen und eingeschmorret. Er pflag wenig mer zu reden, sonder, als er mit der hailigen ölung versehen, lag er darnach im bet

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und bettet. Kam dahin, das er also am verstandt und der


  1. Christo] s. Epistola ad Philippenses I, 23.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band IV. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1882, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_4_169.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)