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Aber die gnad gehet fürs recht.[1]
Ir müßt doch sunst haben ain knecht,
In ewerm haus erneren,

In der kuchen spülen[2] und umbher keren,
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Dess hin ich unverdrossen.

Ir hapt mir mein herz durchschossen
Mit fraw Venus pfeil.«
      Sie sprach: »Gesell, nim dir der weil

Und leug dich nit zu tod!
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Es ist ain klaine not,

Vill pfennig in der täschen[3].
Du sollt nit nach wilpret neschen!
Du kiffest noch wol haberstro.«

      »Ach, edle fraw, das wer ich fro,
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[1138] Und het ich noch so bese zen,

So wellt ich nit gern gen Ach gehn,
Das ir wissen das herze mein.«
      Sie sprach: »Gesell, da wüllt im spill sein

Und kannst doch des reimens[4] nit.[5]
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Es ist nit hie der sitt,

Das man setz dnarren über aier[6].
Ich main, trüeg ain gons[7] ain schleier,
Du welltest haben deinen thail.

Du findst hie nit fail,
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Das du[8] bezalen magst,

Wann du singst und sagst
Biß hinacht zu vesperzeit.«
      Ich sprach[9]: »Es ist ain alt sprüchwort,

Das hab ich ihe und ie gehort:
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»Wer wol kan übersehen,

Dem mag wol guts beschehen.« 
Ob es mich auch wellt helfen?
Mein pitten, schreien und gelfen

Ist sonst ganz verloren.
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Wer waißt iren zoren

Mit gedult zu überwinden
Und wider gnad bei ir finden,
Do ich ine hin geleget hab.

Den rath ich mir selber gab,
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Sprechend: »Ich kan mich nit verwundern,

So ich ain besondern
Willen und lieb trag zu euch
Und in trewen zu euch fleuh,


  1. fürs recht] vgl Graf und Dietherr, Rechtssprichwörter s. 397, nr. 603.
  2. spülen] s. Fastnachtspiele II, 786, 21.
  3. täschen] vgl. Ambraser Liederbuch CLXXVIII, 7.
  4. reimens] vgl. Ambraser Liederbuch CCXX, 14.
  5. nit] hs. mit.
  6. über aier] s. Eiselein a. a. o. s. 136.
  7. gons] trüge eine gans einen schleier, du würdest sie nicht ungerupft lassen. Bei Fischart, Gargantua, 1594, bl 259b, ist an stelle der gans die geiß gesetzt.
  8. du] hs. da.
  9. sprach] d. i. zu mir selbst, jedoch nur scheinbar.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band IV. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1882, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_4_219.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)