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Biß in iederman besah;
Dem sein sterk verniet ain weib,
Darumb er verlur sein leib.

     Der weis maister Aristoteles,
5
Dem bin ich laider ungemeß;

Den ritt ain weib für ain pferdt[1].
Der was der schrift wol gelert,
Doch mußt er sich lon bucken,

Wie man findt in vil stucken,
10
Das der frawen list[2]

Über aller maister kunst ist.
     Darbei laß ich auch beston
Den reichen künig Salamon,

Der der weisest gewesen ist,
15
Den betrog ain mörin, wie man list[3].

     Das sy den wilden gensen[4] klagt!
Mein herz hat mirs gesagt:
Kurzen[5] mut und lange klaider[6]

Tragen die frawen laider;
20
Das hat sich wol an mir beschaint.

On allain, das ich nit waint,
Sonst hab ich laider kain mitelthail,
Dieweil sie mich gefiert am narrensail,

Wie ain affen an ainer ketten.
25
Ich wellt ain ai verwetten,

Es wurde an ir gerochen,
Das sie ir trew hat brochen.
Sollichs laß ich steen zu diser frist;

Dann wo haut und har kain nutz ist,
30
Da wurt kain guter belz[7].

Sie war mein ußerwellts
Herz und höchster schatz,
Far hin! es hat den watz[8].

     Mein sach ist nichts;
35
Ich hab des ersten stichs

[1144] Ein gutes spill verlorn,
Und kartet ich heut und morn,
So gewinn ich doch kain leß[9].


  1. pferdt] so in holz geschnitten an den chorstühlen in Rouen. Der philosoph geht auf allen vieren und das weib hält ihn reitend im zaume; s. Langlois, Stalles de la cathédrale de Rouen.
  2. frawen list] s. Eiselein a. a. o. S. 507.
  3. list] vgl. Freidank (1539) bl XXa, sp. 1. z. 3 v. u.
  4. wilden gensen] große klagen richtet man an leblose dinge, z. b. an den ofen, an die wand, oder an unvernünftige thiere, welche die gesellschaft der menschen fliehen, wie hier an die wilden gänse oder hagelgänse. Im liederbuch der Hätzlerin II, 72, v, 292 steht wohl unrichtig: Das sey den wilden Gemsen clagt!
  5. Kurzen] hs. Kurzer.
  6. klaider] s. oben II, 109, 30 und 170, 12; Keller, Ayrers Dramen s. 554 anmerk. und s. 2288, 10; Heldenbuch s. 457, 25.
  7. guter belz] s. Eiselein a. a. o, s. 290.
  8. watz] s. Eiselein a. a. o. s. 629.
  9. leß] d. h nicht so viel, um sich nach der aderlässe gütlich thun zu können.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band IV. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1882, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_4_230.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)