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die ihre bescheidenen Lebenswege bisher unbeachtet gegangen, wunderten sie sich offenbar, mit dem Anlegen der neuen grauen Röcke plötzlich in aller Augen Gegenstände der Liebe und Fürsorge geworden zu sein. Manchmal auch wehrten sie den Überfluß bescheiden ab; meinten, sie hätten ja genug, streckten aber alle die Hände eifrig aus nach Zeitungen und Postkarten, wollten auch gern etwas erzählt hören über den lachenden Landesteil, durch den sie fuhren. Wenn dann der Zug sich langsam wieder in Bewegung setzte, stimmten sie, zurückwinkend, ihre Lieder an. Und durch das sonnige Tal schallten die frischen Stimmen, bis sie vom Rollen der Räder verschlungen wurden, und von dem enteilenden Zug mit all dem blühenden Leben, das er führte, nur noch ein leichter Rauchstrich in der warmen Sommerluft zurückblieb.

Großmama kam bisweilen an die Station herunter, um die Ausrückenden zu sehen. Wieviel prächtige, wohlgebildete Gestalten waren doch darunter, als ob wählende Hand von einem ungeheuern Felde die schönsten, vollsten Ähren ausgelesen hätte. Ruhe, ja beinah Heiterkeit sah Großmama aus den meisten Zügen, die Unbekümmertheit derer, die wissen, daß sie ihre Pflicht erfüllen, und die sie auch unaufgefordert auf sich nehmen würden, weil sie von der Gerechtigkeit ihrer Sache durchdrungen sind. Und Großmama fühlte, daß gerade dies starke Bewußtsein der angeborenen germanischen Kampfbereitschaft erst die wahre wuchtige Stoßkraft verleihen würde. Ja, ein Schimmer freudiger überzeugter Freiwilligkeit lag auf den Tausenden, die hier

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)