„Irgendwo in der Schweiz! man glaubt am Genfer- oder Bodensee.“
„Und .… mit wem ist sie da?“ fragte er so beklommen, daß er kaum selbst seine Frage verstand.
„Mit dem kleinen Grafen und mit Mamsell Dorothee. Niemand sonst hat sie mitgenommen.“
Gotthard grüßte stumm und freundlich die Leute, stieg in den Wagen und fuhr fort mit einem Gefühl wie der es haben mag der sein Vaterhaus von einem Erdbeben verwüstet findet: die liebste Stätte auf der Welt war ihm verödet.
Er reiste nach der Schweiz, und begann seine Nachforschungen am Bodensee. Constanz, St. Gallen, Bregenz, Lindau, alle kleineren Ortschaften, alle Dörfer und Campagnen durchsuchte er fast Haus um Haus. Die tiefste Sehnsucht, die heftigste Spannung, die größte Angst seines Lebens stand er in dieser Zeit aus. Am Tage ging oder fuhr er herum mit Leuten die ihm in seinem Vorhaben behülflich sein konnten, und wenn er spät Abends in den Gasthof zurückkam, todtmüde von der unfruchtbaren Anstrengung, sprach er zu sich selbst: Finden werd' ich sie schon! aber wie? aber wie? – Und eine unsägliche, unbezwingliche Angst legte sich ihm wie eine Geierkralle ums Herz. – Drei Wochen hatte er sich am Bodensee aufgehalten und die Ueberzeugung
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)