Stelle zu Nutzen um sich breit niederzulassen; denn die sind unsre eigentlichen Beherrscher.“
Es gab Stunden, ja Tage, in denen sich Gotthard fast ebenso glücklich wie ehedem an Corneliens Seite fühlte und im Gespräch mit ihr gleichsam sein Herz vergaß – wie es denn möglich ist eine Zeitlang an der Oberfläche des eignen Wesens zu zehren. Dann war er vollkommen im Gleichgewicht: sein Verstand, seine Erfahrung, seine Weltkenntniß, seine große Gutmüthigkeit machten sich auf die angenehmste Weise gelten, und seine Eigenthümlichkeit – die kleine Manie sich unbedingt für und wider nichts zu entscheiden, und über nichts zu einem eigentlichen Abschluß kommen zu können, weil er den Entschluß nicht fand –
sprach sich nur in ergötzlicher Weise und zu harmloser Neckerei auffodernd aus. Aber wenn er in die Tiefe hinabstieg, er, der nicht gewohnt war in der Tiefe zu leben wo man Eins und ganz ist – dann war er aus dem Gleichgewicht mit sich selbst, und er verwünschte diese unselige Liebe, die ihm das Mark der Seele zusammen rüttelte – eine Prozedur, wie er oft zornig zu sich selbst sprach, gegen die er sein Lebenlang Abscheu gehegt. Diese schneidende Ungleichheit seines Benehmens bestärkte Cornelie in dem Glauben an seine leidende Gesundheit, und sie sehnte sich nach dem
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/142&oldid=- (Version vom 31.7.2018)