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nicht brutal, nicht stupid, sonder in seinen Verzweigungen, in idealen Richtungen, im beseelenden Verkehr und in anregender Berührung sie aufsuchen und verfolgen, um sich die Gewißheit zu verschaffen, daß

er kein Enterbter des Schicksals sei, wie er so lange es gewähnt, weil seine Wiege am Heerde der Armuth gestanden. Des Einen Wiege und des Andern Sarg! sprach er vor sich hin: dort liegt das Kind im Todeskampf neben der vereinsamten Mutter, das bei seiner Geburt mit dreifachem Jubel als Sohn, als Erbe, als „der junge Graf!“ begrüßt wurde. Bei seinem Tode hat es nur die Thränen seiner Mutter!

Ab und an ging er in das Krankenzimmer. Jedes Mal wenn er an Tristans Bett trat hub Cornelie den Kopf auf und fixirte ihn; aber sie sprach kein Wort, und er hatte keins zu sagen. Es hätte ja nur eines der Hofnung sein können, und bis Mitternacht gab es keine Veranlassung dazu. Nach Mitternacht setzte er sich auf die andere Seite neben Tristans Lager. Anfangs beobachtete Cornelie seinen Ausdruck mit unsäglicher Spannung; allein sie ertrug es nicht; sie stand auf, und ging auf und nieder im Zimmer. Endlich blieb sie vor Leonor stehen; sie wollte sprechen, fragen; doch die Stimme versagte; sie zeigte nur auf die Uhr: es war Eins.

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/154&oldid=- (Version vom 31.7.2018)