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klassische. Es ist versunken wie dieses, von der Gegenwart durch eine nicht kleinere Kluft getrennt. Es enthält die Normen für die Gestaltung der nationalen Gegenwart, die politischen wie die sittlichen. Es ist zu erfassen und darzustellen durch die Gemeinschaft der neuen Gebildeten, die in dem von Celtis geplanten Bunde der deutschen Sodalitäten von den Alpen bis zur Ostsee, vom Rhein bis zur Donau zu reichen hätte. Diese Darstellung wird eine Germania illustrata werden, ein „Erläutertes Deutschland“, wie das 17. Jahrhundert gesagt hätte, eine deutsche Kulturgeschichte, die die germanische Vergangenheit in der deutschen Gegenwart wiederfindet. Wir besitzen davon nichts als ein paar Ansätze, einen genialischen in der Norimberga des Celtis, aber Grundgedanke und Plan lassen sich mit Sicherheit wieder herstellen[1].

Was wir hier haben, ist also eine nationale Romantik mit ganz fest umschriebenen Zügen. Sie scheint um so zukunftssicherer, als in ihrem Mittelpunkt die Person des Kaisers, Maximilians, steht. Dieser als Charakter und als Politiker so umstrittene Mensch ist von unbestreitbarer Bedeutung für die Entwicklung des deutschen Geistes unter dem Einfluß der humanistischen Bewegung in Deutschland. Gerade seine fahrige Reizsamkeit – dieses Lamprechtsche Wort scheint mir auf ihn besser zu passen als irgend ein anderes –, die ihn zum politischen Dilettanten macht, hat ihn befähigt, sich allen lebendigen Regungen der Zeit zu öffnen, mehr noch, diese Regungen an sich heranzuziehen und wieder von sich ausgehen zu lassen, wie es nach ihm kein deutscher Kaiser mehr vermocht hat und wohl auch keiner vor ihm. Als Förderer der humanistischen Romantik hat er ein paar Vorläufer. Der wichtigste vielleicht ist Johann von Dalberg, der Bischof von Worms[2]. Ein allseitig aufgeschlossener Mensch, großartig im Gebaren und Planen, aber im Grunde ein fürstlicher Dilettant. Maximilian ist in seinen Fähigkeiten kaum mehr. Aber er steht in unvergleichlich größeren Beziehungen. Er erbt den habsburgischen Ehrgeiz, die burgundische Ritterlichkeit, die Überlieferungen des alten Kaisertums. Dies vereinigt sich in einem

  1. l. c. S. 155. Ausgabe der Norimberga durch Werminghoff, Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg. Freiburg 1921.
  2. Die Monographie von Morneweg (Heidelberg 1887) ist veraltet und greift auch im Urteil fehl.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Joachimsen: Der Humanismus und die Entwicklung des deutschen Geistes. Aus: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 8. 1930, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_humanismus_(joachimsen)_027.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)