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Geiste von seltener Lernfähigkeit und noch seltenerer Agitationskraft. Mit den Ausschreiben und Reden, die all seine Handlungen begleiten, hat Maximilian ein großes Stück der deutschen öffentlichen Meinung geschaffen, deren sich dann die Humanisten bedient haben und die die Reformation in ihrer ersten Erscheinung getragen hat. – Die Formen seiner Fürstlichkeit sind die ritterlichen, aber sein Streben geht auf die Erfassung der Volkskräfte in ihrer ganzen Breite. Seine wichtigste Schöpfung, der „neue Orden“ der Landsknechte zeigt diesen Geist aufs kräftigste. – Sein Lebensinhalt ist das Abenteuer, ganz im Sinne des alten Rittertums. In der Phantasie der Artusromane bewegt er sich selbst in diplomatischen Verhandlungen[1]. Im ’Weißkunig’ und im ’Teuerdank’ hat er sein Leben denn auch in der Weise der alten ritterlichen Abenteuerdichtung dargestellt. Aber der tiefere Sinn dieser Werke – wir kennen ihn aus den Plänen, die seine Gelehrten dafür entworfen haben, – ist der Kampf zwischen ratio und fortuna[2]. Das Renaissanceproblem, und zwar in einer wohl unterscheidbaren deutschen Umformung. – Von dem italienischen Renaissancefürstentum hat er auch den Begriff des Ruhms, des Andenkens bei der Nachwelt, des Mäzenatentums mit der Draperie des Augusteischen Römertums. Das Collegium mathematicorum et poetarum, in dem die Bildungsideen des Celtis ihre erste selbständige Form unter staatlicher Autorisation erhalten sollen, schafft er „nach dem Vorbild unserer Vorgänger, der römischen Kaiser“. Es ist wie bei Petrarca, der sich einbildete, seine Dichterkrönung auf dem Kapitol sei eine altrömische Zeremonie.

Sehen wir seine Gestalt von der humanistischen Bewegung aus an, so ist fast nicht so wichtig, was er von ihr entnommen und was er an ihr gefördert hat, als was man von ihm erwartete. Und da sieht man ganz deutlich, daß er an Karl den Großen herangerückt wird. Er wird eine deutsche Grammatik und ein deutsches Recht schaffen, die Germania illustrata als deutsche Geschichte vollenden lassen und, vielleicht das wichtigste, die kirchlichen und religiösen Fragen der Zeit durch eine deutsche Pragmatik oder

  1. S. H. Ulmann, Kaiser Maximilian I. Stuttgart 1884. Bd. 1, S. 573 ff.
  2. Cuspinian, Vita Maximiliani: Fingens invidiam et curiositatem, quasi personas quasdam comicas, quas ratione et prudentia sua vitaverit viceritque ac prostraverit, ut olim Hercules, qui relicta voluptate laborem secutus est per saxa, per ignis.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Joachimsen: Der Humanismus und die Entwicklung des deutschen Geistes. Aus: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 8. 1930, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_humanismus_(joachimsen)_028.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)