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Pfefferkorn die Kölner Dominikaner traten, als aus dem Streit ein Ketzerprozeß zu werden drohte, als sogar die Gefahr bestand, daß das allverehrte Haupt des Humanismus nach Rom vor Gericht gezogen werden könnte, da wurde dieser Streit in der Tat ein Kampf des Humanismus gegen die scholastische Mönchspartei. Und hier nun zeigte sich, daß der Humanismus in Deutschland ebenfalls eine organisierte Partei war. Die Sodalitäten des Celtis werden die Cadres einer geschlossenen Kampftruppe, wie sie damals in keinem andern Lande hätte entstehen können. Und eben die eigentümliche Mischung von Rechtshandel und Gelehrtenpolemik, die schon längst den humanistischen Kämpfen anhaftete, bewirkte, daß die prinzipielle Seite des Kampfes mit aller Schärfe hervortrat. Hier liegt die Bedeutung der Dunkelmännerbriefe. Sie sind und bleiben das glänzendste Erzeugnis der satirischen Zeitkritik, welche der Humanismus geschaffen hat. Mit Recht hat man in ihm die Vereinigung dreier Elemente gefunden, der mittelalterlich-scholastischen Mönchsspötterei, die sich behaglich über sich selbst lustig macht, der volkstümlichen deutschen Satire, die das Lächerliche in den einzelnen Ständen heraushebt, und der aus Italien stammenden Charakterisierungskunst der Renaissance, die den Typus zum scharfumrissenen Individuum verdichtet. Und wenn es das Wesen der Satire ist, daß sie aus dem Gefühl geistiger Überlegenheit bei sozialer Gebundenheit entspringt, so nehmen auch in dieser Hinsicht die Dunkelmännerbriefe einen ersten Rang ein.

Für uns aber ist es das Wichtigste, daß hier die Vereinigung des aufklärerischen und des national-kämpferischen Humanismus in Deutschland sinnfällig wird. Denn man hat längst gesehen, und die neueste Forschung hat es so gut wie sicher gemacht, daß aus den beiden Teilen der Dunkelmännerbriefe ein verschiedener Geist spricht. Aus dem ersten einer, dessen Satire sich die Unwissenheit und Banausenhaftigkeit der Obscuri zum Ziel nimmt, immer mit einem geheimen Behagen an dem verspotteten Gegenstand, aus dem zweiten ein noch satirisch gebundener Zorn, der von der neuen Reformation spricht, deren Leuchten Reuchlin und Erasmus sein werden. Wir wissen auch, daß der Geist des ersten Teils der des Mutian, des zweiten der Geist Huttens ist.

Man hat in neuester Zeit versucht, die menschliche, geistige und geschichtliche Bedeutung Huttens zu verkleinern, oder überhaupt gar zu leugnen. Dieser Versuch kann jetzt schon als

Empfohlene Zitierweise:
Paul Joachimsen: Der Humanismus und die Entwicklung des deutschen Geistes. Aus: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 8. 1930, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_humanismus_(joachimsen)_043.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)