Seite:De humanismus (joachimsen) 045.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

welsche Trug werden lebendige Mächte in seinem Geiste. – Dann kommt der Handel mit Ulrich von Württemberg, der seinen Vetter Hans Hutten erstochen hat. Er hilft dazu, in Huttens Geiste den Typus des Tyrannen zu formen. – Dann seine Bekanntschaft mit Erasmus in Mainz 1514. Die wichtigste in Huttens Leben. Zum erstenmal findet dieser zur Hingabe an andere geschaffene Mensch den anderen, dem er dienen kann. Er will der Alcibiades dieses Sokrates werden. Die antike Idee der Freundschaft, für Petrarca eine der Möglichkeiten, sein Ich zu spiegeln, für die meisten Humanisten nur ein Bestandteil ihrer Phraseologie, formt hier ein germanisches Treueverhältnis[1]. – Dann die Bekanntschaft mit Sickingen, 1519 geschlossen, die dann gleich durch den Feldzug gegen Ulrich von Württemberg Waffenbrüderschaft wird. In ihm findet Hutten die zugreifende Kraft, die der deutschen Freiheit gegen die römische Tyrannei zum Siege verhelfen wird. Nicht lange, und der neu gefundene Tacitus wird ihm auch für diese Vorstellung die humanistische Formung bieten, Arminius. – Dann der Reuchlinsche Handel, der durch die ganze Zeit geht. Für Hutten der Punkt, wo er die Romanisten in ihrer doppelten Eigenschaft, als Verderber der alten deutschen Tugenden und als die Feinde des neuen freien Geistes, angreifen kann. Daher sein Interesse und seine Mitarbeit an den Dunkelmännerbriefen, ihre Fortsetzung aus einem andern Geiste und denselben Mitteln, obgleich das Satirische seinem pathetischen Geiste eigentlich nicht liegt, und gleichzeitig sein Bestreben, auch Sickingen für diese literarische Fehde zu interessieren und daraus auch einen ritterlichen Fehdehandel zu machen. Daher dann sein fassungsloser Zorn, als er Reuchlin zurückweichen sieht. – Endlich der Eingriff in das große politische Leben auf dem Reichstag von 1518, wo er sich aus dem Auftreten Cajetans ein Zerrbild römischer Überhebung und römischen Prunks zurechtmacht, wo er die fressenden und saufenden deutschen Fürsten auf der Folie des taciteischen Germanentums sieht, halb liebend, halb zornig. Hier will er, als Redner der deutschen Nation, Kaiser und Fürsten zu einem Türkenkrieg begeistern, der kein geistliches, sondern ein nationales Unternehmen sein soll, eine Ableitung der deutschen Volkskraft, die sich im Innern verzehrt,

  1. Darüber vortrefflich W. Kaegi, Hutten und Erasmus. Ihre Freundschaft und ihr Streit (Hist. Vierteljahrsschrift 22 [1925], S. 200 und 461 ff.).
Empfohlene Zitierweise:
Paul Joachimsen: Der Humanismus und die Entwicklung des deutschen Geistes. Aus: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 8. 1930, Seite 463. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_humanismus_(joachimsen)_045.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)