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daß es wirklich der Genialität eines Dichters unserer Gegenwart bedurft hat um die Größe des Menschen hinter seinem Werke hervortreten zu lassen, das doch eben nur eine Sammlung von „aphoristischen Traktaten“[1] ist.

Aber wir sehen hier doch wohl noch etwas anderes. Wenn die Begegnung des deutschen Geistes mit dem Humanismus in einer Reihe von halben Lösungen endet, so ist der Grund nicht ein Mangel, sondern die Fülle des deutschen Geistes. Es ist seine Abgründigkeit und seine Weite, die sich gegen jeden Versuch einer Formung sträubt, die zugleich Normierung ist. Aber es ist doch wohl mehr als ein äußeres Schicksal, das uns immer wieder diesem Problem entgegentreibt, das wir hier, in der Auseinandersetzung mit dem Humanismus, zum erstenmal in der deutschen Geistesgeschichte ganz deutlich sehen.

  1. Dies ist ein Ausdruck von Fr. Gundolf, Paracelsus (Berlin, Bondi 1927), der diese Form aber ganz allgemein für die humanistische Weltbetrachtung in Anspruch nehmen möchte. Aber ich denke, es ist doch ein Unterschied, ob man wie Montaigne in dieser Form den gemäßen Ausdruck seines Geistes findet, oder ob man sie aus Not wählt.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Joachimsen: Der Humanismus und die Entwicklung des deutschen Geistes. Aus: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 8. 1930, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_humanismus_(joachimsen)_062.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)