Seite:Denkschrift Eisenbahn Jagstfeld-Neuenstadt 03.png

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Vorwort.

Auf den Landesteil, welcher durch die heutige Eröffnung der Nebenbahn Jagstfeld–Neuenstadt mit dem Staatseisenbahnnetz verbunden wird, sollte das Motto: „Unsere Zeit steht im Zeichen des Verkehrs“ erst spät Anwendung finden. Der Postwagen war bisher die einzige öffentliche Einrichtung, welche neben den Frachtbotenwagen den Verkehr mit der Außenwelt vermittelte. Mit großer Freude und frohen Hoffnungen begrüßen wir die Bahneröffnung. Mögen unsere Erwartungen in Erfüllung gehen!

I. Entstehungsgeschichte des Bahnbaues und volkswirtschaftliche Bedeutung der Bahn.

Das untere Kochertal war schon im grauen Altertum durch regen Verkehr belebt. Die Straße zwischen Römisch-Wimpfen und der römischen Niederlassung bei Oehringen (Vicus Aurelius) führte über Neuenstadt, welches von den Altertumsforschern als ansehnliche römische Niederlassung bezeichnet ist. Späterhin bewegte sich der Verkehr der Reichsstadt Hall zum schiffbaren Neckar hier vorbei; noch mehr war der Verkehr von Heilbronn und dem unteren Neckargebiet über unsere durch Fruchtbarkeit und Lieblichkeit ausgezeichnet Gegend ins Taubertal, ins Maintal und nach Mitteldeutschland von ansehnlicher Bedeutung.

Es konnte nicht ausbleiben, daß die Eröffnung der Bahnlinien Heilbronn–Hall und Heilbronn–Osterburken, welche beide das untere Kochertal umgingen, für unsere Gegend namhaften Schaden brachte, insbesondere auch für das Städtchen Neuenstadt, welches für die Postroute Heilbronn–Mergentheim–Würzubrg ein Umspannort gewesen war.

Die Enttäuschung über die Hoffnungen, die man lange zu hegen sich für berechtigt hielt, nämlich die als „Kocherbahn“ bezeichnete Staatsbahn Heilbronn–Hall oder die Linie Heilbronn–Osterburken werde das untere Kochertal berühren, lähmte für lange Zeit weitere Bestrebungen. Allein der durch den Wegfall des früheren lebhaften Verkehrs entstandene Rückgang unserer Erwerbsverhältnisse, die Umständlichkeiten und Erschwerungen für den Absatz unserer landwirtschaftlichen Erzeugnisse, nicht minder auch die größere Kostspieligkeit in der Beschaffung unserer Bedürfnisse riefen das Streben nach einer unteren Kocherbahn aufs neue wach. Als im Jahre 1892 die Nebenbahnlinie Waldenburg–Künzelsau eröffnet wurde, welche in der Talsohle des Kochers endigt, gab die von Sr. Exzellenz dem Herrn Ministerpräsidenten Staatsminister Dr. Freiherrn von Mittnacht bei der Eröffnungs-Feier ausgesprochene Vermutung, die Bahn werde ihre Fortsetzung dem Flußlauf des Kocher nach finden, den Bewohnern des unteren Kochertals neue Hoffnung. Es bildete sich ein Komitee, dessen Bestrebungen auf eine Bahnverbindung Künzelsau–Kochermündung gerichtet waren. Seitens der K. Staatsregierung wurde die Vornahme von Vorarbeiten hiezu mangels verfügbaren Personals abgelehnt; auch erschien die seitens der beteiligten Gemeinden getroffenen Einleitungen insofern aussichtslos, als die K. Staatsregierung damals den weiteren Bau von Nebenbahnen vorerst nicht beabsichtigte.

Erst als das Privatkapital Verwendung im Eisenbahnbau anbot, konnten die bisher fehlgeschlagenen Hoffnungen sich wieder beleben. Einer Anregung des Vorstands der K. Generaldirektion der Staatseisenbahnen zufolge entschloß man sich, zunächst den Bau einer unteren Teilstrecke bis Neuenstadt anzustreben. Der von Neuenstadt

Empfohlene Zitierweise:
Denkschrift zur Eröffnung der Eisenbahn Jagstfeld–Neuenstadt a. Kocher. Stuttgart 1907, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Denkschrift_Eisenbahn_Jagstfeld-Neuenstadt_03.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)