Seite:Denkschrift Eisenbahn Jagstfeld-Neuenstadt 04.png

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gewünschte Anschluß an die Staatsbahn in Neckarsulm wurde von der K. Staatsregierung auf die Vorstellung der unteren Kocherorte verworfen und der Anschluß in Kochendorf oder Jagstfeld empfohlen. Es konnte unterm 6. April 1898 mit der Firma Arthur Koppel in Berlin ein Vertrag über Vornahme von Vorarbeiten zum Bau einer schmalspurigen Nebenbahn Jagstfeld–Neuenstadt abgeschlossen werden. Plan und Voranschlag wurden von dieser Firma im Dezember 1898 vorgelegt und dem Anerbieten, den Bau und Betrieb einer schmalspurigen Bahn Jagstfeld–Neuenstadt zur Ausführung zu bringen, wenn ihr von den beteiligten Gemeinden der erforderliche Grund und Boden kostenlos zur Verfügung gestellt und ein barer Baubeitrag von 50 000 Mk. geleistet werde. In Bezug auf die Verteilung der Kosten kam nach manchen schwierigen Verhandlungen eine Einigung unter den beteiligten Gemeinden dahin zustande, daß Neuenstadt 42, Kochertürn 18, Degmarn 10 und Oedheim 30% an Grunderwerbskosten und an Baubeitrag zu übernehmen haben.

Nun konnte der mit der Firma Arthur Koppel abgeschlossene Vertrag im Januar 1899 an die K. Staatsregierung mit der Bitte um Konzessionierung der Bahn und um einen angemessenen Baubeitrag aus Staatsmitteln abgehen. Durch das Gesetz vom 29. Juli 1899 wurde die Genehmigung zum Bau einer schmalspurigen Bahn Jagstfeld–Neuenstadt unter Gewährung eines Staatsbeitrags von 20 000 Mk. pro km ausgesprochen.

Wir rechnen es der Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft, welche in die Rechte und Pflichten der Firma Arthur Koppel inzwischen eingetreten war und insbesondere dem früheren Direktor Herrn A. Köhler zum Verdienst an, in richtiger Erkenntnis der Unzulänglichkeit und Mangelhaftigkeit des Schmalspursystems die Gemeinden zum Verlassen des Schmalspurprojekts und zur Anstrebung der normalspurigen Ausführung der Bahn bewogen zu haben. In dem weiteren Vertrag vom 2. Januar 1901 erboten sich die Gemeinden, neben den Grunderwerbskosten einen kilometrischen Betrag von 5 000 Mk. zu übernehmen. Durch das Gesetz vom 21. Juli 1902 ist dann der Bau einer normalspurigen Nebenbahn Jagstfeld–Neuenstadt unter Bewilligung eines kilometrischen Beitrags von 28 000 Mk. im Höchstbetrag von 338 000 Mk. unter Anordnung einer 4-jährigen Bauzeit genehmigt worden. Die Bahn hätte somit im Jahre 1906 in Betrieb gesetzt werden sollen. Allein die vorgeschlagenen Bahnhofs-Anlagen hatten manche Weiterungen veranlaßt. In Oedheim konnte den Wünschen der Gemeinde in vollem Maße Rechnung getragen werden; in Neuenstadt dagegen fanden die westlich und östlich in Vorschlag gekommenen Projekte wenig Anklang. Das darauf vorgeschlagene südliche Projekt hätte die Mehrzahl der Gemeindemitglieder befriedigt, konnte aber die Zustimmung der K. Staatsregierung nicht erhalten. Nach langwierigen Verhandlungen, welche sich bis zum Frühjahr 1906 hinzogen, haben die bürgerlichen Kollegien in Neuenstadt dem nordöstlichen Bahnhofprojekt zugestimmt. Es konnte somit der Bau auf der oberen Strecke erst im Herbst 1906 begonnen werden, während auf dem unteren Teil der Bau der Kocherbrücke schon im Spätjahr 1904 in Angriff genommen worden ist.

Nun ist das Werk vollendet, welches lange das Ziel unserer Bestrebungen gewesen ist. Wird es die Opfer lohnen, welche sich die beteiligten Gemeinden auferlegt haben? Wer kann das sagen? Eine Belebung unseres Verkehrs und eine wesentliche Förderung aller Erwerbsverhältnisse werden wir sicherlich zu erwarten haben. Wir glauben, daß erst die kommenden Geschlechter den vollen Segen und Nutzen der Eisenbahn zu genießen haben werden, wenn die Lasten, welche die jetzige und die nächstfolgende Generation auf sich nehmen, nicht mehr empfunden werden.

     Das Eisenbahnkomitee bestand aus nachstehenden Personen:
                              Finanzrat a. D. Schickhardt, Neuenstadt, Vorsitzender,
                              Regierungsrat Haller, Neckarsulm, Ehrenvorsitzender,
                              Stadtschultheiß Obermeyer, Neuenstadt,
                              Oberförster Schöttle von da, nach dessen Abgang 1903
                              Gemeinderat Weiblen von da,
                              Schultheiß Lutz, Kochertürn,
                              Gemeinderat Lang von da,
                              Schultheiß Vogt Degmarn, nach dessen Tod
                              Schultheiß Schiemer von da,
                              Gemeinderat Köppler von da,
                              Schultheiß Barth Oedheim, nach dessen Tod
                              Schultheiß Kraus von da,
                              Gemeinderat Spohrer von da

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Denkschrift zur Eröffnung der Eisenbahn Jagstfeld–Neuenstadt a. Kocher. Stuttgart 1907, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Denkschrift_Eisenbahn_Jagstfeld-Neuenstadt_04.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)