Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/134

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Herzen anschließt, das ihm entgegen schlägt, vorzüglich in der Jugend, wo Liebe ihm Bedürfniß ist, wie der Lerche die Luft –

So liebt die Lerche Gesang und Luft,
Und Morgenblumen den Himmelsduft!

Ich bin überzeugt, daß es kein Land giebt, wo der Fremde die Einsamkeit des Herzens so schrecklich empfindet, wie in England, denn in jedem andern Lande wird er mit einem gewissen Interesse behandelt, ja mit Bevorzugung, aber der bornirte Engländer haßt den Fremden, blickt mit Stolz und Verachtung auf ihn, weil er immer ein brutaler Egoist von Staats wegen bleibt, der zugleich als Sohn der Freiheit die continentalen Völker wegen ihrer Knechtschaft verachtet. Hingegen in Deutschland werden sogar die englischen nobodies an den Höfen honorirt, worüber sie selbst sich weidlich lustig machen. – Ich habe manchmal gewünscht, die deutschen Fürsten möchten den knotigen Witzen einmal zuhören, welche diese Ochsenfleisch-Menschen über die pety courts machten.




Sechzehntes Kapitel.




Am bestimmten Tage begab ich mich zu Lady Maria W. und wurde sogleich vorgelassen. Es war eine hohe, wohlproportionirte Gestalt in den Funfzigen, ihre Formen und Haltung waren ungemein gefällig, weil sie sehr natürlich und anspruchslos waren. Das Zimmer, wo sie mich empfing, wie ihre Kleidung war nicht nur einfach, sondern von so ungewisser Jahreszahl, daß eine alterthumforschende Gesellschaft sie in ihre Sammlungen hätte aufnehmen können. Lady Maria W. sagte mir, daß sie drei Söhne, zwei erwachsene Töchter und eine siebenzehnjährige Nichte habe, für welche letztere sie ausschließlich eine Gouvernante für ein Jahr suche, um ihre Erziehung zu vollenden. Sie fügte hieran ihre Forderungen, welche einer gewöhnlichen englischen Erziehung entsprachen, und bot mir einen mäßigen Gehalt. Da ich mich