Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/77

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

voraussichtlich ein überaus erschütternder, der alle meine Standhaftigkeit aufrief und daher bis zuletzt verschoben werden mußte. – Ich hatte Frau E. schon von meinem Vorhaben benachrichtigt und machte ihr jetzt noch einen Abschiedsbesuch, wobei sie mir einen Brief von Fräulein Ch. mittheilte, der die Bitte enthielt, ihr bei vorkommenden Fällen Abmiether für ihr selbsterkauftes Haus zuzuweisen. Mistreß E. verwandte sich mit so viel Wärme dafür, daß ich sofort beschloß, von diesem Anerbieten Gebrauch zu machen. Nachdem ich die nöthigen schmerzlichen Abschiedsbesuche in Eastonhouse, Stamford, Tansor und Umgebung gemacht hatte, blieb mir noch der traurigste von allen, dessen Andenken mir heute noch Thränen entlockt. Wir alle schluchzten und umarmten uns zu wiederholten Malen, auch John hatte Thränen in den Augen, doch klangen seine Abschiedsworte hart und ominös, ich bemühete mich lange umsonst, ihre Bedeutung zu verstehen. Ich fühlte mich unaussprechlich unglücklich, mir war es, als verließ ich freiwillig ein Paradies, das sich auf ewig hinter mir schlösse, und nur das Bewußtsein meines reinen Beweggrundes vermochte mich einigermaßen aufrecht zu erhalten. Meine Reise nach London war eine sehr traurige, aber die freundschaftliche Aufnahme, die ich bei Fräulein Ch. fand, beruhigte mich einigermaßen und wir kamen bald auf frühere Zeiten zu sprechen. Sie erzählte mir aus sicherer Quelle, daß sich Lady Georgiana N. von England zunächst nach Frankfurt am Main mit Sir Charles H. gewendet und dort dasselbe Manövre mit Frau M. wie früher mit mir vorgenommen hatte, worauf ihr diese entlaufen und nach England zurückgekehrt war. Hier hatte sie alle bösen Thaten ihrer Gebieterin, deren ergebene Helfershelferin sie früher gewesen war, eifrig ausposaunt. Nach ihr hatte Lady Georgiana eine deutsche Kinderfrau angenommen und ihr eines Tages gesagt, daß sie mit den Ihrigen auf einige Tage verreisen wolle, während welcher Zeit die Wärterin mit dem kleinen Karl, ihrem vorletzten Sohne, das Haus hüten solle. Darauf war sie mit Sack und Pack, begleitet von Doctor H. und den übrigen Kindern, abgereist. Nach einigen Tagen war der Hauswirth gekommen, um den Miethzins in Empfang zu nehmen, hatte sich jedoch durch das Vorfinden dieses lebendigen Pfandes der hohen englischen Herrschaft vollkommen beruhigt gefühlt. Es war nun eine Woche nach der anderen vergangen, Kaufleute, Bäcker, Fleischer und andere Lieferanten hatten keinen Credit mehr gegeben, die Mittel der Wärterin waren