Heinrich Ferdinand Steinmann: Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland | |
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Kirche, die er in 35 Jahren vollendete. Die nordwestlichen und südwestlichen Ecken des Doms zieren zwei graziöse Thürmchen, welche in einer Kuppel enden, die mit einem vergoldeten Knopfe in Form einer Ananas verziert sind. Dieses Denkmal menschlicher Kunst hinterläßt durchaus das Gefühl der Begeisterung für den Urheber alles Guten wie der Bewunderung für den Künstler, der es schuf.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach der Westminster-Abtei, dem Meisterwerk echt gothischer Baukunst, welches mit Recht ein Wunder der Welt genannt wird. Sie ist dem Apostel Petrus gewidmet und die Geschichtsschreiber verlegen ihren Ursprung in das sechste Jahrhundert. Nachdem sie von den Verfolgern des Christenthums zerstört worden war, ließ sie Eduard der Beichtiger wieder aufbauen und beschenkte ihre Geistlichkeit mit großen Privilegien und Einkünften. Heinrich II. ließ sie jedoch niederreißen, dann vergrößert wieder aufbauen und eine Kapelle errichten, welche er zu seiner Familiengruft bestimmte und der Jungfrau widmete. Die weltberühmte Kapelle ließ Heinrich VII. als Gruft für sich bauen und weihte sie ebenfalls der Jungfrau. Sie ist mit sechszehn gothischen Thürmen geschmückt, welche in der Ferne Brabanter Spitzen gleichen, und schließt sich gegen Osten an den Dom. Nichts vermag eine Vorstellung von der Schönheit dieses Baues zu geben, selbst nicht die gelungensten Kupferstiche. Man begreift nicht, wie Menschenhände diese ätherischen Verzierungen aus Stein verfertigen und in diesem Ebenmaße aufstellen konnten. So verwendete jener Monarch gleich den ägyptischen Königen unendliche Schätze auf seine Grabstätte, während er dem Entdecker einer neuen Welt ein Schiff versagte. Diese Kapelle enthält viele Merkwürdigkeiten und Zierden, von denen das Grabmal des Begründers die erheblichste ist. Sein Sohn Heinrich VIII., welcher die Besitzungen der Klöster und Abteien an sich zog, machte auch an die Westminster-Abtei schwere Forderungen, in Folge deren sie in Verfall gerieth, auch
Heinrich Ferdinand Steinmann: Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland. Otto Janke, Berlin 1861, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Denkw%C3%BCrdigkeiten_einer_deutschen_Erzieherin_in_Belgien,_England,_Spanien,_Portugal,_Polen_und_Deutschland.pdf/81&oldid=- (Version vom 14.1.2023)