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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

Der Doppelgänger


Kriminalroman von Walther Kabel


(Nachdruck verboten)

(3. Fortsetzung)

Als der Staatsanwalt nicht sofort auf diese Ausführungen etwas erwiderte, meinte er gutmütig, aber doch mit bemerkbarem Spott in der Stimme: „Das mag ja alles ganz richtig sein, Herr Doktor, was Sie uns da eben theoretisch entwickelt haben … aber?! Er zuckte die Achseln … Motive?! In dieser Hinsicht habe ich manche Überraschungen in meiner Praxis erlebt, und, was diesen „kindisch unvorsichtigen Plan“ anbetrifft – wir haben es hier mit keinem Berufsverbrecher zu tun …!“ – Richter schaute sich im Kreise um und suchte in den Mienen der Umstehenden eine Billigung seiner Worte zu finden. Aber die Herren schienen so mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, daß sie nur kopfschüttelnd, als wären sie mit ihrer Weisheit zu Ende, zu Boden sahen. Nur der Staatsanwalt glaubte es sich und seiner Stellung schuldig zu sein, auch seine Meinung noch zum besten zu geben. „Ich kann eigentlich,“ sagte er überlegend, „Ihnen, Herr Doktor Werres, auch nicht ganz beipflichten. Ich dachte, Sie hätten irgendwelche Spuren gefunden, die in eine bestimmte andere Richtung hindeuten. Aber so … ja … da müßte der Herr Baron von Berg ja einen Doppelgänger haben, der ihm aufs Haar gleicht … und das …“ der Staatsanwalt lächelte ungläubig, „ist doch kaum anzunehmen!“

Werres erwiderte nichts. Er schaute gleichgültig zum Fenster hinaus, hatte die Arme über der Brust verschränkt und schien es gar nicht zu bemerken, wie der Kommissar Richter ihn seit Sekunden schon mit offenbarer Selbstzufriedenheit, daß er seinen Schüler so gut abgeführt hatte, lächelnd ansah.

Die Uhr auf dem Kaminsims schlug 12. Kaum waren die letzten Schläge verhallt, als die Tür im Wartezimmer aufgerissen wurde und schnell hintereinander drei Personen eintraten. Der Kriminalbeamte Behrent – einer von den dreien – rief schon von der Tür aus seinem Vorgesetzten zu:

„Herr Kommissar – hier, der Baron von Berg!“


6. Kapitel.

Mit schnellen Schritten war der Baron vorwärts geeilt, jetzt sah er den Ermordeten, entsetzt prallte er zurück und stotternd kam es über seine Lippen … „Meine Herren – was ist hier passiert?!“ – Das klang so ehrlich, so wenig gemacht … Trotzdem sagte der Staatsanwalt, indem er den vor ihm Stehenden fixierte … „Herr Friedrichs ist ermordet … sollten Sie das nicht wissen, Herr Baron von Berg?“ – „Ich …? Ich habe den Bankier vor zwei Stunden verlassen, da war er frisch und munter … und jetzt … ermordet?“ Der Baron hatte sich gefaßt und schaute jetzt beinahe wehmütig auf die vor ihm ausgestreckte Gestalt. Seine Hand, die den glänzenden Zylinder hielt, zitterte leise, als er sich an den Staatsanwalt wandte:

„Wie ist denn das geschehen – mir ist das alles so unerklärlich …“

„Sie waren vor zwei Stunden hier?“ fragte Hübner ernst, indem er „zwei“ betonte.

Der Baron schien noch nicht zu ahnen, wie schwer er verdächtigt war. „Ja – vor zwei Stunden,“ antwortete er ruhig.

„Und um ¾11 sind Sie nicht hier gewesen?“ fragte der Staatsanwalt weiter.

„Ich? … um ¾11? – Nein! Als ich den Bankier verließ, traf ich zwei mir bekannte Herren und wir haben bis jetzt in der Dannerschen Weinstube gesessen.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)