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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

Der Doppelgänger


Kriminalroman von Walther Kabel


(Nachdruck verboten)

(6. Fortsetzung)

Werres schaute gleichgültig zum Fenster hinaus.

„Das hilft uns nicht weiter,“ meinte er unzufrieden. Dabei flimmerten aber seine Augen so eigenartig … In solchen Momenten hatte sein Blick etwas von einem Raubtiere an sich, das heimtückisch eine Beute beschleicht und die Gier und Mordlust in den Augen unter den zusammengekniffenen Lidern verbergen will. – Nach einer Weile wandte sich Werres dem Kriminalbeamten zu.

„Hören Sie genau hin, Müller! Sie erkundigen sich jetzt zunächst, wer in dem Vorstande dieser freien dramatischen Vereinigung ist und dann besuchen Sie einen dieser Herren und fragen nach, zu welchem Zwecke die von dem Friseur Wedel gelieferten Requisiten gebraucht sind oder noch gebraucht werden und bitten auch den Herrn um das neueste Mitgliederverzeichnis. Natürlich erwähnen Sie nichts von einer blonden Perücke und dem blonden Bart – verstanden! – und ebenso verpflichten Sie den Herrn zum Schweigen. Sie können sich ja ruhig als Beamter ausweisen.“ – „Haben der Herr Doktor sonst noch Befehle? Ich werde alles besorgen, wie der Herr Doktor es wünschen …“

„Sie können dann gehen, Müller – und morgen vormittag erwarte ich Nachricht von Ihnen – ich bin hier zu treffen.“

Kaum war der Beamte gegangen, als Werres im Sturmschritt seine Promenade wieder aufnahm. „Wenn er in dem Verein Mitglied wäre – wenn …“ murmelte er erregt. Nach einer Weile setzte er sich dann an seinen Tisch und trug in seine Aufzeichnungen verschiedene Bemerkungen ein. Als er gerade die Feder weggelegt hatte, klopfte es. Werres schaute sich um und rief herein.


10. Kapitel.

Es war der Sanitätsrat Dr. Friedrichs, der Bruder des ermordeten Bankiers. Werres erhob sich. Er hatte den Herrn bereits gelegentlich [bei][1] einer Besprechung kennen gelernt und bot ihm nun höflich einen Stuhl an. Der Sanitätsrat nahm Platz und schaute seinem Gegenüber prüfend in das unbewegliche, leidenschaftslose Gesicht.

„Herr Doktor,“ begann er langsam, als ob er jedes Wort genau abwog – „ich komme soeben von dem Herrn Staatsanwalt Hübner.“ Der Sanitätsrat machte eine Pause. Aber die von ihm erwartete Frage des jungen Doktors blieb aus. Das setzte den alten Herrn etwas in Verwirrung. Nur zögernd fuhr er fort: „Ich habe nämlich nach Rücksprache mit dem Herrn Staatsanwalt für die Entdeckung des Täters eine Belohnung von 5000 Mark ausgesetzt und ebenso dem Wiederbringer des geraubten Geldes 1/3 der noch vorhandenen Summe zugesichert. – Das steht in den heutigen Morgenblättern unter den Annoncen und wird auch noch an den Litfaßsäulen angeschlagen werden. Was sagen Sie zu diesem Versuch, die Wahrheit durch die Lockungen klingenden Goldes an den Tag zu bringen?“ – Werres schien zusammenzufahren. Dann blickte er den alten Herrn prüfend an.

  1. Vorlage: Wort fehlt
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)