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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

Der Doppelgänger


Kriminalroman von Walther Kabel


(Nachdruck verboten)

(9. Fortsetzung)

Zwei Stunden später. In dem Hinterzimmer des Restaurants Helfrich standen und saßen um zwei zusammengeschobene, unbedeckte Tische an die zwölf Herren herum. In der Luft hing dicker Rauch, der das Gas trübe brennen ließ und bei jeder Bewegung eines der Anwesenden hin und her wallte. Die Herren hatten ihre Getränke auf Stühle, den dritten Tisch, auch auf die Fensterbretter gestellt und warteten, daß der Bankhalter das neue Spiel auflege. Es wurde Kartenlotterie[ws 1], oder, wie es allgemein genannt wird, „Gottes Segen bei Kohn“ gespielt.

Werres stand in der Nähe des Bankhalters, ruhig und leidenschaftslos wie immer und schaute nochmals flüchtig auf die drei Karten, die er in der Hand hielt. Möller rührte sich am Fenster seinen Grog zurecht, und als der Bankhalter nun, nachdem ein Spiel gemischt und abgehoben war, ausrief: „Herz Neun Freilos!“ – kam er an den Tisch, zeigte eine seiner Karten, eine Herz Neun, vor und erhielt dafür eine andere von einem kleinen Häuflein, das neben dem Bankhalter lag. Dieser breitete nun je zwei und zwei Karten von dem vorher durchgemischten Spiel in vier Reihen untereinander aus, und zwar so, daß die Kartenbilder auf die Tischplatte zu liegen kamen. Dann zog er die neunte Karte ab und rief wieder: „Großes Los, Pique As.“ – Es meldete sich einer der Herren und erhielt seinen Gewinn, das neunfache des für die Karte bezahlten Betrages, ausgehändigt, wovon er allerdings ein Neuntel wieder in eine in der Mitte des Tisches stehende große Schale – die sogenannte Pinke – abgeben mußte. Der Gewinner des „großen Loses“ hatte die Karte mit 10 Mark bezahlt und steckte gleichmütig den Gewinn von 80 Mark in die Tasche, den ihm der Bankhalter aus einem vor ihm liegenden Haufen Gold- und Silbergeld, der auch einige Scheine enthielt, ausbezahlte.

Werres war in der dritten Ziehung mit seinem Einsatz herausgekommen, Möller dagegen hatte seine 40 Mark für vier Karten verloren.

„Ich habe heute wieder ein Pech,“ räsonierte er – „unglaublich! Ich muß mir einen anderen Platz suchen, vielleicht hilft das!“ Er ging um den Tisch herum und stellte sich neben den Kassierer Willert.

„Wie geht’s Ihnen heute denn?“ fragte er diesen. „Erbärmlich schlecht wie immer –“ meinte Willert achselzuckend.

Es begann ein neues Spiel. Werres kaufte wieder drei Karten à 10 Mark. Er hatte bisher gegen 90 Mark verloren; diese 30 Mark, mit denen er jetzt seine Karten bezahlte, waren der Rest seines Geldes. Zufällig hatte er eine für ihn recht hohe Summe heute in der Tasche. Am Nachmittag war nämlich der Sanitätsrat Friedrichs bei ihm gewesen und hatte ihm mitgeteilt, daß der Polizeipräsident zuvorkommend seine Bitte genehmigt habe und daß Werres sich nunmehr als sein Privatdetektiv – wie der alte Herr lächelnd sich ausdrückte – betrachten könne. Der Präsident war ohne Zögern auf den Vorschlag des ihm schon länger bekannten Dr. Friedrichs eingegangen.

„Wenn Sie Vertrauen zu dem Herrn haben – bitte, ich beurlaube ihn gern vollständig vom Dienst,“ hatte er liebenswürdig

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Auch Schlesische Lotterie genannt.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)