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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

Der Doppelgänger


Kriminalroman von Walther Kabel


(Nachdruck verboten)

(12. Fortsetzung)

Nach einer Pause fuhr er fort: „Wenn nicht – und das ist wohl das Wahrscheinlichere – dann gehe ich schnurstracks zu Werres und sage ihm: „Herr Doktor, eine Frau Schwarz gibt es schon, aber keinen Arzt Werner; den hat’s wohl überhaupt nie gegeben, denn ich habe ihn weder finden können, noch weiß jene Witwe etwas von ihm – also muß der, der Ihnen von diesem unauffindbaren Herrn was erzählt hat, Sie grob belogen haben und das beste wird sein, wir fangen unsere Nachforschungen wo anders an! – Wenn er uns dann noch immer mit diesen nutzlosen Scherereien behelligt, dann … dann …“

Müller lachte laut auf. „Dann … dann …?! – Du ich rate dir eins: Sag’ das dem Werres lieber nicht; der kann verdammt eklig werden! Und … dein Plan für diese Witwe Schwarz?! Mensch, das wird nichts – das kriegt wohl der Behrent fertig, der ja – denn der hat Lügen und Schauspielern besser raus, wie wir – aber du – oder auch ich?! Nein! … Paß auf, die Dame merkt sehr bald, wes Geistes Kind du bist …“

„Na, und was kann mir das schaden …? Merkt sie’s, dann merkt sie’s – versuchen tu ich’s jedenfalls …“

„Viel Glück,“ meinte Müller ironisch und trank sein Bier aus. „So, nun werde ich dem Doktor seinen Pankratius oder Pankritius auftischen und ihm feierlich dieses Mitgliederverzeichnis überreichen.“

„Dann kann er sich aus dem Heftchen den Doppelgänger des Baron von Berg heraussuchen,“ vollendete bissig der Kriminalbeamte Grosse und stand auf. Darauf verließen sie das Lokal.


19. Kapitel.

Die Uhr von dem Turme der St. Katharinenkirche schlug vier. Dann setzte das Glockenspiel ein und Töne dröhnten durch die laue Frühjahrsluft, als kämen sie aus dem weiten Äther, der wolkenlos sich über der Stadt X. ausspannte. – Ein hagerer Mann in einfachem, aber nicht unelegantem Paletot, dessen Vogelgesicht mit der schmalen krummen Nase den lauernden Ausdruck nie verlor, stieg die Treppe eines dreistöckigen Hauses der Werterstraße empor und läutete dann in der ersten Etage an der linken Tür. Nach geraumer Zeit näherten sich schwere Schritte, die Tür wurde geöffnet und vor dem Manne mit dem Vogelgesicht, der kein anderer als der Kriminalbeamte Grosse war, stand eine etwas korpulente, einfach gekleidete Frau, die den Herrn nun bescheiden nach seinem Begehren fragte.

„Ist die Frau Rat vielleicht zu Hause?“ fragte Grosse, der sofort gemerkt hatte, daß er die Dame nicht selbst vor sich hatte.

„Nein, die Damen sind vor kurzer Zeit auf den Kirchhof gegangen. Heute ist der Sterbetag des Herrn Rats.“

„Richtig, ja,“ fiel Grosse der Frau ins Wort, „heute ist ja der 27. April! – Daß ich das so ganz vergessen habe!! So, also die Frau Rat ist nicht zu Hause …? Schade!!“

„Der Herr ist wohl ein Bekannter von den Herrschaften?“ forschte die Frau höflich.

„Nur von dem Verstorbenen. Ich bin auch Rechnungsrat – heiße Winter“ – log Grosse frech. – „Er war ein alter Bekannter von mir – der Herr Rat Schwarz. – Wirklich, es tut mir leid, daß ich die Damen nicht angetroffen habe. Ich hätte so gern …“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/38&oldid=- (Version vom 31.7.2018)