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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

Der Doppelgänger


Kriminalroman von Walther Kabel


(Nachdruck verboten)

(Schluß)

Ein schrilles, nervenzerreißendes Lachen, Töne, wie sie nur die von Folterqualen gepeinigte Brust eines halb Irren hervorbringen kann, gellten durch den Raum. Willert war aufgesprungen, sein wilder Blick stierte nach Werres hin, seine Hände hoben sich wie zur Abwehr – dann fiel er in den Stuhl zurück, die Arme sanken herab und in ächzendem Flüstern kam es heraus …

… „Erbarmen …“ –

Die Herren hatten sich erhoben, standen da und starrten entgeistert, keines Wortes mächtig auf den völlig Zusammengebrochenen, von dessen bleicher Stirn die Schweißperlen langsam herunterrannen.

Der Staatsanwalt faßte sich zuerst. Er flüsterte dem Kriminalkommissar einige Worte zu. Richter ging um den Tisch herum, legte dem Kassierer die Hand auf die Schulter und sagte laut …

„Im Namen des Gesetzes verhafte ich Sie, Willert, als Mörder des Bankier Friedrichs!“

In das unheimliche Schweigen, das diesen Worten folgte, klang wieder jenes furchtbare Stöhnen hinein. – Werres war an das Fenster getreten und schaute hinaus in den Lichthof. Er wollte sein Gesicht vor den andern verbergen – sein Gesicht, in dem jetzt so fest der gramerfüllte Zug eingemeißelt lag. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als müsse er etwas verscheuchen – seine Gedanken, die so blitzschnell nach der Werterstraße geeilt waren …

Die Stutzuhr auf dem Kamin schlug mit ihren hellen Schlägen die Mittagsstunde. Sein Werk war vollbracht …


26. Kapitel.

Als Werres am folgenden Tage gegen 12 Uhr nach Hause kam, fand er in seinem Zimmer den Sanitätsrat Friedrichs, der ihn erwartet hatte.

„Ich komme soeben vom Polizeipräsidium, Herr Sanitätsrat,“ – erzählte er, nachdem sie sich gesetzt hatten. – „Der Kommissar Richter hat das umfassende Geständnis Willerts mitangehört. Dieses Geständnis brachte mir nicht viel Neues. Ihnen aber möchte ich das, was Sie gestern noch nicht völlig überschauen konnten, jetzt ergänzen. – Als der erste Kassierer Meisel Ihrem Bruder die Summe in das Privatkontor gebracht hatte, kehrte er in die Kasse zurück. Willert, der das Telephongespräch zwischen Meisel und Ihrem Bruder gehört hatte und daher wußte, daß der Baron erst in einer Stunde wiederkommen wollte, faßte nun den abenteuerlichen Plan, als Baron von Berg in das Privatkontor einzudringen und sich mit Gewalt in den Besitz der 150 000 Mark zu setzen. Hierbei trafen nun verschiedene Umstände zusammen, die ihm die Ausführung seines Vorhabens überhaupt erst ermöglichten. Seine Figur gleicht der des Barons vollkommen, ebenso hat er einen starken, blonden Schnurrbart; er kannte auch Herrn von Berg von Ansehen sehr genau und wußte ebenso, daß dieser an jenem Vormittage einen Zylinder trug, da der Baron, bevor er Ihren Bruder besuchte, in der Kasse war und nach dem Gelde gefragt hatte. Ferner hatte Willert in seiner Wohnung seit einigen Tagen jene Perücke und den blonden Bart liegen, da er vor der Traumulus-Aufführung seine Maske daheim ausproben wollte. Er sagte also dem anderen Kassierer, daß er zu seinem

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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/53&oldid=- (Version vom 31.7.2018)