Seite:Der Fürst (Machiavelli Regis) 058.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

was ein Fürst vom Volke, wenn es ihm feind wird, erwarten kann, ist, daß er von ihm verlassen werde; hingegen von den feindlichen Großen muß er nicht nur verlassen, sondern sogar bekämpft zu werden fürchten. Denn da in ihnen mehr Blick und List ist, erübrigen sie immer noch Zeit, sich zu salviren, und suchen bei Dem sich in Gunst zu setzen, von dem sie hoffen, daß er den Sieg behalten werde. Ferner ist auch der Fürst genöthigt, mit ein und demselben Volke immer zu leben; aber er kann sehr wohl ohne dieselbigen Großen bestehen, indem er Deren alle Tage ein- und absetzen, ihnen Ehren geben und nehmen kann, wie es ihm gutdäucht. Und, um diesen Punkt noch besser zu zeigen, sage ich: wie man die Großen hauptsächlich auf zweyerlei Weise betrachten muß. Sie entscheiden sich nämlich in ihrem Benehmen dergestalt, daß sie entweder sich ganz deinem Glücke verpflichten, oder nicht. Die, welche sich verpflichten, wenn sie nicht räuberisch sind, muß man ehren und lieben. Die, welche sich nicht verpflichten, sind auf zweyerlei Weise zu betrachten: entweder handeln sie so aus Verzagtheit und einem natürlichen Mangel an Muth; und alsdann mußte du dich ihrer bedienen, besonders Derer, die guten Rath zu geben wissen: denn im Glück wirst du von ihnen Ehre haben, im Unglück brauchst du sie nicht zu fürchten. Wenn sie sich aber mit Absicht und aus Ehrgeiz nicht verpflichten wollen, so ist es ein Zeichen, daß sie mehr an sich als an dich denken, und vor Diesen muß ein Fürst sich hüten und sie wie offne Feinde halten, weil sie im Unglück jederzeit zu seinem Sturze helfen werden. Deßhalb muß Einer, der durch Gunst des Volkes Fürst wird, dessen Freundschaft sich zu erhalten suchen; was ihm leicht seyn wird, indem es nichts weiter verlangt, als nicht unterdrückt

Empfohlene Zitierweise:
Niccolò Machiavelli: Der Fürst. Stuttgart, Tübingen 1842, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_F%C3%BCrst_(Machiavelli_Regis)_058.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)