Seite:Der Fürst (Machiavelli Regis) 106.jpg

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man für weise Leute hielt, zu sagen, Pistoja müsse man durch die Parteyen, und Pisa durch die Festungen in Gehorsam halten; und nährten deßhalb in einigen ihnen ergebenen Städten die Zwistigkeiten, um sie leichter besitzen zu können. Dieß mochte zu der Zeit, da in Italien gewissermaaßen ein Gleichgewicht statt fand, wohlgethan seyn, aber heut zu Tage scheint es mir nicht als Regel empfohlen werden zu dürfen; weil ich nicht glaube daß der Zwiespalt je etwas Gutes stifte; vielmehr ist unvermeidlich, wenn der Feind sich nähert, daß die getheilten Städte schnell verloren gehen, weil immer der schwächere Theil den fremden Mächten anhängen wird, und der andre sich nicht wird behaupten können. Die Venezianer, von obigen Gründen, wie ich glaube, bewogen, unterhielten in den ihnen unterworfenen Städten die Guelfischen und Ghibellinischen Factionen, und obschon sie sie nie bis zum Blutvergießen kommen ließen, nährten sie unter ihnen doch diese Mißhelligkeiten, damit die Bürger, mit ihren Zänkereien beschäftigt, sich gegen sie nicht auflehnen möchten. Welches ihnen nachher, wie man sah, nicht zum Vortheil ausschlug; denn nachdem sie bei Vailà geschlagen waren, ermuthigte dieß die eine jener Parteyen sogleich, und sie nahmen ihnen den ganzen Staat. Es verrathen daher dergleichen Mittel nur Schwäche des Fürsten. Deßhalb man solche Spaltungen in einem kräftigen Fürstenthume nie dulden wird, weil sie allein in Friedenszeiten ersprießlich sind, da man die Unterthanen mit Hülfe derselben leichter behandeln kann. Wenn aber der Krieg kommt, zeigt diese Art ihre Trüglichkeit. – Ohne Zweifel werden die Fürsten groß, wenn sie Schwierigkeiten und ihnen geleisteten Widerstand besiegen; und darum läßt das Glück, wenn es zumal einen neuen Fürsten groß machen

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Niccolò Machiavelli: Der Fürst. Stuttgart, Tübingen 1842, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_F%C3%BCrst_(Machiavelli_Regis)_106.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)