Seite:Der Fall Buschoff.djvu/8

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Geschworenen verhindert, zwischen der Wolff’schen Beweisführung und der Auffassung der Gerichtsbehörden in rechtgiltiger Weise zu entscheiden? Warum wahrt man nach den traurigen Erfahrungen von Sturz nicht wenigstens den bösen Schein? Tausende von Angeschuldigten werden jährlich durch unsere Staatsanwälte, oft auf grund der vagesten Indizienbeweise, viele Monate lang in Untersuchungshaft gehalten und den Geschworenen vorgeführt. Warum soll nun gerade mit dem Schächter Buschoff, für den ganz Israel auf die Bresche gesprungen ist, eine so befremdliche, arge Vermutungen geradezu herausfordernde Ausnahme gemacht werden? Unsere Herren Untersuchungsrichter überstürzen sich doch sonst nicht so in der Rücksichtnahme auf die individuelle Freiheit. Man hält heute im Rechtsstaate Preußen selbst unbescholtene, ehrenwerte Männer oft wegen Beleidigung monatelang fest, besteht, dem Drucke der öffentlichen Meinung widerwillig Folge gebend, auf hohen, oft unerschwinglichen Kautionen, ja man inhaftiert nur zu oft nachweislich Unschuldige und erlebt es nachher, daß diese von dem Schwurgericht als nicht schuldig den Fängen der Kriminaljustiz entrissen werden. Und hier in Xanten haben wir es mit einem Mordfalle zu thun, in welchem ein berühmter hocherfahrener Kriminalist auf das allerbestimmteste den Schuldbeweis geführt hat, wo über ein Dutzend Zeugen unter Eid Buschoff auf erdrückende Weise belasten, und wo – weil hier früher nie antisemitische Strömungen bestanden haben – jede etwaige leidenschaftliche Voreingenommenheit absolut ausgeschlossen ist.

Soll der angeschuldigte Schächter, der jetzt den Staub von den Füßen schüttelt, wirklich schuldlos sein, weil man das in Cleve beteuert, nun wohl, so soll man uns das durch die allein kompetente Entscheidung der Geschworenen autoritativ verbriefen! Staatsanwälte und inquirierende Richter sind auch bloß Menschen, die irren können, und da die Verfassung uns gottlob die Institution der Volksgerichte gewährleistet, so darf sich niemand unterfangen, ohne zwingende Gründe von ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Eingreifen abzusehen. Sind solche zwingende Gründe thatsächlich vorhanden, dann heraus damit! Weshalb dies sonderbare Schweigen, dies Herumhacken auf dem

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Heinrich Oberwinder: Untersuchung über den Xantener Knabenmord. Vaterländische Verlagsanstalt, Berlin 1892, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Fall_Buschoff.djvu/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)