Seite:Der Fall Wenkley.pdf/3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Der Fall Wenkley. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 199–203

zwar alles, sagte sich aber im übrigen für alle Zeiten von dem jüngsten, mißratenen Sproß seines Geschlechtes los.

Den jungen Edward brachte diese förmliche Ausstoßung aus seiner Familie doch für einige Zeit zur Vernunft. Er arbeitete fleißig, mied den Spieltisch und lebte recht bescheiden und in einer seinen Einnahmen angemessenen Weise. Leider war aber sein Hang zu leichtsinnigen Geldausgaben größer als seine Energie. Bald geriet er wieder auf die schiefe Bahn, und da sich stets Leute finden, die dem Träger eines alten Namens gegen hohe Zinsen Geld zu leihen bereit sind, steckte er nach einiger Zeit abermals bis über beide Ohren in Schulden. Aber diesmal blieb der ältere Bruder allen Bitten gegenüber völlig taub. Edward Wenkley verschwand deshalb aus London und ließ eine Schar trauernder Gläubiger zurück.

Ein halbes Jahr lang hörte man nicht das geringste von ihm. Dann erhielt Lord Wenkley im Mai 1889 ein Telegramm aus Palermo, in dem der dortige englische Konsul ihm mitteilte, daß Sir Edward Wenkley bei einem Ausfluge in die Berge von Alcamo von sizilianischen Briganten entführt worden sei, und zugleich anfragte, ob der Lord das für seinen jüngeren Bruder geforderte Lösegeld von fünftausend Pfund Sterling bezahlen wolle.

Lord Wenkley fragte zunächst seinerseits an, was sein Bruder denn in Sizilien getrieben habe und wie es mit den näheren Umständen von dessen Gefangennahme stände. Die briefliche Auskunft des Konsuls lautete dahin, daß Sir Edward bereits mehrere Monate das unweit von Palermo gelegene Gut des italienischen Fürsten Giarnova verwaltet und sich in der englischen Kolonie Palermos infolge seiner liebenswürdigen Bescheidenheit die größten Sympathien errungen habe. Bei einer Geschäftsreise nach Alcamo, die er in Begleitung eines Unterbeamten des Konsulats antrat, der in Alcamo ebenfalls dienstlich zu tun hatte, sei er dann von drei Banditen überfallen und in die Berge verschleppt worden. Den Konsulatsbeamten hätten die Briganten unbehelligt laufen lassen und ihm ein Schreiben mitgegeben, worin sie das angegebene Lösegeld verlangten, das bis zum 1. Juli bezahlt sein müsse. Andernfalls

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Fall Wenkley. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 199–203. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Fall_Wenkley.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)