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Walther Kabel: Der Fall Wenkley. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 199–203

würde man Sir Edward lebend nicht wiedersehen. Und diese Drohung, fügte der Konsul seinem Briefe hinzu, dürfte prompt ausgeführt werden.

Lord Wenkley zögerte jedoch trotzdem noch, das Geld für seinen Bruder zu opfern, und ließ beinahe zwei Wochen verstreichen, ehe er den Konsul in seinem Antwortschreiben bat, womöglich durch Verhandlungen mit den Briganten eine Herabsetzung des Lösegeldes zu erreichen.

Inzwischen war die Entführungsgeschichte mit allen Einzelheiten in die englischen Zeitungen gelangt. Findige Reporter hatten auch herausbekommen, daß der millionenschwere Lord nicht allzuviel Neigung verspürte, den Jüngsten seines Geschlechts aus den Händen der Räuber loszukaufen. Ein Sturm der Entrüstung erhob sich, als diese Handlungsweise des Lords in bissigen Artikeln in den meisten Blättern als eines Engländers unwürdig gebrandmarkt wurde. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung gab Lord Wenkley nunmehr schleunigst nach und ließ dem Konsul telegraphisch die verlangte Summe übermitteln.

Zwei Tage später traf jedoch eine neue Depesche des Konsuls ein. Die Briganten hätten, gereizt durch die Verzögerung der Auszahlung des Lösegeldes, ihre Forderung auf achttausend Pfund erhöht. Er bäte um schnellste Überweisung des Restes, da durch eine weitere Hinausschiebung die schwerste Lebensgefahr für den Gefangenen entstehen könne.

Lord Wenkley mußte in den sauren Apfel beißen. Es half ihm nichts. Am 28. Juni 1889 traf Sir Edward, nachdem die Banditen sich die ganze Summe durch einen Vermittler unter allen möglichen Vorsichtsmaßregeln hatten aushändigen lassen, wohlbehalten in Palermo wieder ein, und die englische Kolonie feierte seine Befreiung durch ein Fest, an dem sogar die meisten Offiziere des gerade vor Palermo liegenden englischen Mittelmeergeschwaders teilnahmen.

Acht Tage nach dem großartigen Fest brachte die gelesenste Zeitung von Palermo einen Artikel, der ungeheures Aufsehen erregte. Auf der Redaktion des genannten Blattes hatte sich in einer Verkleidung der damals weit und breit berüchtigte

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Walther Kabel: Der Fall Wenkley. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 199–203. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Fall_Wenkley.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)