Seite:Der Gespensterlöwe.pdf/20

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ich kann Ihnen hier auch nicht im entferntesten einen Überblick über das geben, was ich durch meiner Hände Arbeit schuf, wie ich mich bald in mancherlei Künsten, die mir bis dahin fremd gewesen, vervollkommnete. Nur einiges will ich hier kurz streifen. – Sie haben ja selbst mit eigenen Augen gesehen, liebe Landsleute, daß ich den hinteren Teil dieser Grotte durch eine Steinmauer zum Schlaf- und Wohngemach abgeteilt habe; staunend sprachen Sie mir Ihre höchste Anerkennung für das primitive Mobiliar aus, das ich als Tischler aus gebleichten Tierknochen, Häuten und Teilen der Kamelsättel schuf. Meine Weberarbeiten gestatten es uns, hier auf Matten zu liegen, während Sie dort vor dem Eingang einen Vorhang erblicken, zu dessen Herstellung Fäden benutzt wurden, die ich durch besondere Zubereitung von Distelstauden gewann. – Aus den eisernen Nägeln aus den Sätteln wurden allerlei kleine Instrumente und Werkzeuge. Flache, ausgehöhlte Steine dienten als Kochgeschirre. Tierknochen lieferten mir ebenfalls mancherlei Geräte, so auch Löffel, Eßstäbchen und manches andere.

Wie oft habe ich gerade in der ersten Zeit meines Robinsondaseins in dieser Schlucht an den berühmten Helden Defoes gedacht, eben an Robinson Krusoe …! Und doch: wie viel besser hatte dieser es als ich! Er lebte auf einer von der Natur reich ausgestatteten Insel, lebte inmitten einer üppigen Vegetation, hatte um sich allerlei nützliche Vertreter des Tierreichs! Hier gab und gibt es nichts als Sand, Felsen, kümmerliche Gräser, spärliches Gestrüpp; von Tieren nur Schakale, Hyänen, auch Löwen, Springmäuse und flüchtige Trupps von Wildeseln. – Halt – Etwas darf ich nicht vergessen, eine Pflanze, die mir überaus wertvoll wurde. Ich kannte sie bereits von meinem Aufenthalt in dem Kupferminen-Tale her, wußte, daß sie bei den Nomaden als Gemüse benutzt wird; ich meine die eßbare Mannaflechte, die auf dem kahlen Felsboden gedeiht und gekocht recht würzig schmeckt. Sie heißt ja auch „Mannaflechte“; Manna regnete es, als Moses mit dem erwählten Volke durch die Wüste zog. – –

Ein halbes Jahr verging, bis ich mich hier sozusagen

Empfohlene Zitierweise:
W. Belka: Der Gespensterlöwe. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1916, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Gespensterl%C3%B6we.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)