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Er beugte sein kühnes, scharfes Gesicht dicht zu ihr herab.

„Ja,“ seufzte sie, zu Tode erschöpft, und schloss die Lider. Er nahm ihre Hand, streichelte und liebkoste sie. Sie liess, jenseits von Bewusstsein und Empfinden, alles geschehen. Ihr Gesicht war verfallen und verloschen. Das Lächeln ihrer lebensfrohen Liebenswürdigkeit war erstorben.

Da gab er ihre Hand frei, küsste sie auf den Mund, rief: „Gute Nacht, mein geliebtes Mädchen“ und ging. Schwankte durch den Korridor, trunken von Müdigkeit, von Hoffnung, von Verblendung, Überschwang und Zuversicht.

Jo fiel angekleidet auf das Bett und versank in traumlos schwarze Tiefen.

Heise aber fand trotz allen zähen Willens keinen Schlaf. Die Szenen des Columbus tanzten gespenstische Reigen in seinem Schädel. Die Texte galoppierten mitten in den Hexensabbath hinein. Die Überreizung zitterte durch seine Nerven. Bis der Morgen graute, wälzte er sich im Bett umher. Da ertrug er es nicht länger. Er duschte eiskalt, wollte frühstücken, vergass es aber wieder und rannte mit weitausholenden Schritten und wehenden Haaren zum Theater. Auf der Strasse sah er, dass es kurz nach sieben war. Ganz gleich. Er ertrug die Spannung nicht länger. Er wollte im Theater sein. Er wollte dort sein, wenn der Direktor kam. Wollte als Erster dort sein.

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/119&oldid=- (Version vom 31.7.2018)