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11.

Berlin geriet in Aufruhr über den Ermordeten und den Mörder. Der erste Tenor seiner Zeit war nach seinem glänzendsten Erfolge im Theater, in seiner Garderobe erschlagen worden. Schon das war Sensation genug. Aber er war von einem kleinen Choristen aus wahnwitzigem Ehrgeiz ermordet worden. Ermordet worden, weil es diesen Choristen nach der Rolle des Ermordeten gelüstete.

Das war eine so ungewöhnliche, so erstaunliche Tat, dass sie Berlin trotz aller Wirtschaftssorgen, trotz Krise und Notverordnungen in Aufruhr brachte.

Ein Mensch war aus Ehrgeiz, aus Sucht nach Ruhm zum Mörder geworden. Um einer Rolle willen. Das war etwas Neues, Aufreizendes, Phantasie aufrüttelndes[1]. Das war mal etwas anderes, als diese steten öden Gaunereien der Generaldirektoren der Grosskonzerne.

„Diese Tat hat an grausamer Unerbittlichkeit und Energie etwas Renaissancehaftes,“ schrieb eine Zeitung. „In diesem friesischen Seefahrer steckt ein irregegangener Fernando Cortez,“ bedauerte eine andere.

Das Hemmungslose, fanatisch Logische, Unbedenkliche dieses Mordes elektrisierte die Jugend. Es gab also wirklich noch Menschen mitten in diesem kleinlichen Alltag, die für den Ruhm zu töten und zu sterben wussten? Wer ist ein Held? philosophierte man in den Studentenkneipen Berlins und im Romanischen Café. Ein Mensch, der für den Ruhm, für diese Chimäre, alles tut. Das Grösste und das Furchtbarste. Also: Peter Heise. Ihm gehörte die Bewunderung aller Heraufstürmenden, aller Phantasiebeschwingten,


  1. Vorlage: Aufrüttelndes
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/134&oldid=- (Version vom 31.7.2018)