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Im Zuschauerraum schlug ein gepolsterter Sitz wattig gedämpft empor. Die kleine, gedrungene Gestalt des Direktors polterte aus dem Parkett, hastete durch die schummrige Düsternis und eilte über den Holzsteg, der Zuschauerraum und Proszenium verkettete, hinauf zur Bühne. Jetzt stand Fritz Buchner, der Direktor, zwischen den Probenden.

„Das Abschiedslied ist viel zu lang! Viel zu lang!“ stiess er hervor. „Das Publikum wird unruhig.“

Dann wandte er sich an den Kapellmeister, dessen junge vergeistigte Züge in dem matten Widerschein der abgeblendeten Pultlampe gespenstig scharf hervortraten, und rief: „Die zwei letzten Strophen werden gestrichen!“

Der Komponist hob das Gesicht zur Bühne empor, nickte traurig und ergeben und griff zu dem langen Blaustift, der schon viele klaffende schmerzvolle Wunden in seine Schöpfung gerissen hatte.

Da erklang wieder die Stimme des grossen Sängers. Aber sie hatte jetzt nichts von ihrem metallisch bezaubernden Schmelz. Sie klang wie eine gewöhnliche irdische, böse Stimme.

„Die beiden Strophen werden nicht gestrichen,“ widersprach Bara sehr bestimmt. „Es ist die einzige Stelle in der ganzen Revue, in der ich meine stimmlichen Mittel endlich mal entfalten kann.“

Der Direktor blickte steil zu der hohen Gestalt Baras empor. Er hatte schon manches während der Proben von diesem verwöhnten Tenor erduldet. Das Mass war voll. Mühsam beherrschte er noch sein cholerisches Temperament.

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)