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jahraus, jahrein – das kann nur der verstehen, der es durchgemacht hat.“

„Oh, das verstehe ich sehr gut, wenn ich’s auch nicht am eignen Leib erfahren habe.“

„Und so bin ich zur Bühne gekommen. Ich musste froh sein, beim Chor anzukommen und mich durchzufretten.“

Sie nickte wieder.

„Aber, Fräulein Ternitz, man will doch – man fühlt doch, man kann auch so viel wie die, die oben stehen und grosse Aufgaben lösen und ein grosses Publikum in Atem halten. An dem Geld liegt mir nichts, nicht so viel.“ Er wollte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand knipsen, aber die kalten Finger gehorchten nicht recht. Es wurde eine kümmerliche Geste. „Wirklich nicht, wenn man nur satt zu essen hat und ein Dach überm Kopf und nicht allzusehr friert. Mehr will ich garnicht. Aber wirken will ich. Einmal die Nacht ausüben, die souveräne Gewalt, die der grosse Schauspieler und Sänger über die Menschen hat. Mit dem, was man da in der Kehle stecken hat, beglücken und hinreissen. – Aber was erzähl ich Ihnen! Das wissen Sie alles viel besser als ich.“

Er hatte sein Verlangen hinausgestossen in den stillen Tiergarten. In seinen grauen Augen flackerte die Flamme seines Ehrgeizes und seiner künstlerischen Sehnsucht. Dann verlosch die Glut im Blick und im Wort.

„Verzeihen Sie,“ sagte er mit einem verzagten Lächeln. „Ich brülle hier los wie ein Irrer.“

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)